Terror
über der Brust und die Beschwerden durch den gefrierenden, tauenden und wieder gefrierenden Schweiß in seinen Kleidern schier unerträglich.
Warum hatte man nicht mehr Matrosen und Seesoldaten mit auf diese Expedition geschickt?
Die Terror hatte drei von ihren Vollmatrosen eingebüßt: Charles Johnson, der dritte Mann, der im August während der Transportfahrten nach King-William-Land verschleppt worden war, Billy Strong, den das Ungeheuer in zwei Stücke zerrissen hatte, und James Walker, der der Freund des schwachsinnigen Magnus Manson gewesen war, bevor dieser völlig in den Bann des kleinen Kalfaterersmaats mit dem Rattengesicht geraten war. Jetzt fiel Crozier auch wieder ein, dass die Angst vor Walkers Geist in der Totenkammer vor über einem halben Jahr Manson schon einmal fast zur Meuterei getrieben hatte.
Ausnahmsweise war es der Erebus einmal besser ergangen als dem Schwesterschiff. Als einzigen Vollmatrosen hatte Fitzjames während der Expedition John Hartnell verloren, der ebenfalls im Januar 1846 auf der Beechey-Insel an Schwindsucht gestorben und begraben worden war.
Keuchend stemmte sich Crozier in die Gurte und dachte an die Gesichter und Namen der Toten. So viele Offiziere waren umgekommen, so wenige einfache Matrosen. Anscheinend hatte es das Wesen aus dem Eis vor allem auf die Verantwortlichen der Expedition abgesehen.
So was darfst du nicht denken , rief sich Crozier zur Ordnung. Du schreibst diesem Ungeheuer eine Intelligenz zu, die es nicht besitzt.
Tatsächlich nicht?
Ein Seesoldat mit einer Büchse in der Armbeuge kam an ihm vorbei. Das Gesicht des Mannes war vollkommen mit Mützen und Tüchern vermummt, aber Crozier erkannte ihn an seinem hängenden Gang. Es war Robert Hopcraft. Der Gefreite war an dem Tag vor einem Jahr, als Sir John ums Leben kam, von dem Ungeheuer schwer verwundet worden. Während die anderen Verletzungen gut verheilt waren, hatte er von dem zertrümmerten linken Schlüsselbein eine hängende Schulter zurückbehalten, weswegen man immer den Eindruck hatte, dass er nicht geradeaus gehen konnte. In einigem Abstand folgte der Seesoldat William Pilkington, der Gefreite, der damals in der Bärenfalle einen Schuss durch die Schulter abbekommen hatte. Crozier fiel auf, dass Pilkington diese Schulter und den Arm schonte.
Sergeant David Bryant, der ranghöchste Seesoldat der Erebus , war von der Bestie enthauptet worden, kurz bevor diese Sir John mit sich ins Eis gerissen hatte. Der Gefreite William Braine war schon im April 1846 auf der Beechey-Insel gestorben, und der Gefreite William Reed war am 9. November des letzten Jahres mit einer Nachricht zur Terror geschickt worden, dort aber nie angekommen. Crozier erinnerte sich noch gut an das Datum, weil er selbst an diesem ersten Tag der Winterdunkelheit den Weg von seinem Schiff zur Erebus auf sich genommen hatte. Somit waren von Fitzjames’ Seesoldaten nur noch vier am Leben: der Korporal Alexander Pearson als Kommandierender, der Gefreite Hopcraft mit seiner versehrten Schulter, der Gefreite Pilkington mit seiner schlecht verheilten Schusswunde und der Gefreite Joseph Healey.
Von Croziers Seesoldaten war nur der Gefreite William Heather dem Wesen aus dem Eis zum Opfer gefallen, als es im letzten November an Bord geschlichen war und dem wachhabenden Gefreiten den Kopf eingedrückt hatte. Doch so unbegreiflich und erschreckend es war, Heather war noch immer
nicht tot. Nachdem er wochenlang bewusstlos im Lazarett gelegen und auf schauerliche Weise zwischen Leben und Tod geschwebt hatte, war er von seinen Kameraden zu seiner Hängematte im Mannschaftslogis gebracht worden. Seither hatten sie ihn jeden Tag gefüttert, gereinigt, zum Abtritt getragen und angekleidet. Fast als wäre der sinnlos vor sich hinstarrende, hilflos sabbernde Mann ihr Maskottchen. Erst letzte Woche hatten ihn die anderen Seesoldaten warm eingewickelt und wie einen König auf einen besonderen Einmannschlitten gesetzt, den der Zimmermannsmaat Alex »Fat« Wilson eigens für ihn gebaut hatte, um ihn zum Terror -Lager zu bringen. Ohne sich über die zusätzliche Last zu beklagen, hatten die Seeleute abwechselnd die lebende Leiche auf dem kleinen Schlitten über das Eis und die Pressrücken gezogen.
Damit verfügte Crozier noch über fünf Seesoldaten: Daly, Hammond, Wilkes, Hedges und den siebenunddreißigjährigen Sergeant Solomon Tozer, einen ungebildeten Dummkopf, der jetzt das Kommando über die anderen acht noch diensttauglichen Seesoldaten der
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