Terror
im Schnee gefunden.
All seine Männer waren mit Flinten oder Büchsen bewaffnet gewesen, während Irving selbst wie heute nur seine Pistole in der Tasche getragen hatte. Im Nachhinein musste sich der Leutnant eingestehen, dass er sich gestern mitunter Sorgen gemacht hatte, weil Hickey mit einer Waffe hinter ihm marschiert war. Aber natürlich war nichts passiert. Solange sich Magnus Manson in fünfundzwanzig Meilen Entfernung beim Schiff befand, begegnete der Kalfaterersmaat Irving, Hodgson und den anderen Offizieren mit ausgesuchter Höflichkeit, ja sogar Ehrerbietung.
Das erinnerte Irving an seinen Hauslehrer in Bristol, der ihn
und seine Brüder immer voneinander getrennt hatte, wenn die Jungen im Verlauf der langen, eintönigen Unterrichtsstunden zu ungebärdig wurden. Er steckte sie tatsächlich in verschiedene Zimmer des alten Herrenhauses und unterrichtete sie dort einzeln. Die hohen Absätze seiner Schnallenschuhe hallten auf den Eichenböden, wenn er im ersten Stockwerk des alten Flügels von einem Raum zum anderen schritt. John und seine Brüder David und William, die Mr. Candrieau im Verein kaum bändigen konnte, wurden fast scheu, wenn sie dem bleichgesichtigen, spindeldürren Lehrer mit seiner weißen Perücke allein gegenübersaßen.
Irving hatte sich nur zögernd an Kapitän Crozier gewandt mit der Bitte, Manson zurückzulassen, doch jetzt war er froh, dass er sich dazu überwunden hatte. Und noch froher war er, dass ihn der Kapitän nicht nach Gründen gefragt hatte. Irving hatte Crozier nie davon erzählt, was damals unten auf dem Lastdeck zwischen dem Kalfaterersmaat und dem riesigen Matrosen vorgefallen war, und wollte es auch nicht tun.
Heute konnte er wegen Hickey ganz beruhigt sein. Das einzige Mitglied des Erkundungstrupps, das außer ihm selbst eine Waffe bei sich trug, war Edwin Lawrence, der mit einer Büchse ausgestattet war. Bei Schießübungen in der Nähe der Boote im Terror -Lager hatte sich gezeigt, dass aus Irvings Gruppe nur Lawrence halbwegs vernünftig mit einer Büchse umgehen konnte, und so hatte er heute die Rolle des Leibwächters inne. Die anderen hatten sich nur Segeltuchbeutel um die Schulter gehängt. In diesen Taschen hatte jeder seine Wasserflasche aus Blei oder Zinn, ein wenig Zwieback und getrocknetes Schweinefleisch, eine Konservenbüchse als Notration, einige zusätzliche Plünnen, die Drahtbrille, die Crozier zum Schutz gegen Schneeblindheit hatte herstellen lassen, Pulver und Schrot zum Jagen und eine Schlafdecke für den Fall, dass sie nicht rechtzeitig ins Lager zurückkehren konnten und im Eis übernachten mussten.
An diesem Vormittag waren sie fünf Stunden lang landeinwärts marschiert. Wenn möglich hielt sich die Gruppe auf den Geröllanhöhen. Dort wehte der Wind zwar heftiger und kälter, aber man kam leichter voran als in den schnee- und eisbedeckten Senken. Bisher hatten sie nichts entdeckt, was die Überlebenschancen der Expeditionsteilnehmer erhöhen konnte – nicht einmal grüne Flechten oder Moos an Felsen. Aus seiner Lektüre der Bücher in der Bibliothek auf der Terror – zwei davon stammten sogar aus der Feder Sir John Franklins – wusste Irving, dass hungrige Männer aus abgeschabten Moos- und Flechtenstücken eine Art Suppe zubereiten konnten. Zumindest sehr hungrige Männer.
Als der Erkundungstrupp zu einem kalten Mittagessen aus ein paar Bissen mit etwas Wasser anhielt und sich im Schutz eines Hügels zusammenkauerte, um sich ein wenig zu erholen, übergab Irving das Kommando kurzzeitig an den Großtoppmann Thomas Farr und wanderte ein Stück allein weiter. Er sagte sich, dass die Männer von den außergewöhnlichen Schlittentransporten der letzten Wochen erschöpft waren und die Ruhe brauchten, doch in Wahrheit brauchte er das Alleinsein.
Irving ließ Farr wissen, dass er in einer Stunde zurück sein würde. An windgeschützten Stellen wollte er Stiefelabdrücke hinterlassen, damit er sich auf dem Rückweg nicht verlief und damit ihn die anderen finden konnten, falls er sich verspätete.
In glücklicher Einsamkeit nach Osten wandernd, kaute er an einem Zwieback und spürte seine wackligen Zähne. Blut befleckte das Stück Zwieback, wo er hineingebissen hatte.
Sosehr ihn der Hunger plagte, Irving hatte in letzter Zeit nur geringen Appetit.
Wieder watete er durch ein Schneefeld und stapfte über gefrorenes Geröll zu einem weiteren windgepeitschten Hügelkamm hinauf. Plötzlich blieb er stehen.
In dem breiten, schneeerfüllten
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