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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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nahe schien, war Magnus Manson.

    Von der Position der Schiffe aus hatten sie eine Strecke von weniger als achtundzwanzig Meilen zurückgelegt. Des Voeux vermutete, dass sie über einhundertfünfzig Meilen geschleppt hatten, um diese achtundzwanzig zu bewältigen; ein Marschieren in gerader Linie war so weit draußen auf dem Packeis nicht möglich. Im Nordosten war das Wetter noch viel schrecklicher als in dem neunten Kreis der Hölle, in dem sie seit zwei Jahren gefangen waren. Zahllose Pressrücken türmten sich auf, manche von ihnen bis zu achtzig Fuß hoch. Allein den Kurs zu halten war fast unmöglich, wenn die südliche Sonne hinter Wolken verschwand und die Sterne mehrere achtzehn Stunden lange Nächte hintereinander nicht zu sehen waren. Und Kompasse waren so nahe dem magnetischen Nordpol natürlich völlig nutzlos.
    Zur Sicherheit hatte der Trupp fünf Zelte mitgenommen, obwohl sie nur in zwei schlafen wollten. Doch die Nächte auf dem Meereis waren so kalt, dass die elf Männer die letzten neun Nächte in einem einzigen Zelt schliefen, sofern sie überhaupt Schlaf fanden. Kurz darauf hatten sie gar keine andere Wahl mehr, weil vier der Zelte vom Wind weggeblasen oder in Fetzen gerissen worden waren.
    Unbeirrt hatte Des Voeux seine Leute nach Nordosten geführt, doch mit jedem Tag wurde das Wetter schlechter, die Pressrücken rückten näher zusammen, und die nötigen Abweichungen von ihrem Weg wurden länger und tückischer. In dem herkulischen Bemühen, ihre Last über zerklüftete Eiskämme zu zerren und zu schieben, beschädigten sie den Schlitten. Zwei Tage mussten sie im heulenden Wind und treibenden Schnee ausharren, um ihn wieder zu reparieren.
    Am vierzehnten Morgen auf dem Eis entschloss sich der Unterleutnant zur Umkehr. Da sie nur noch ein Zelt hatten, fürchtete er um das Überleben seines Trupps. Sie versuchten, die Schlittenfurchen der vergangenen dreizehn Tage zurückzuverfolgen,
doch das Eis hatte sich bereits verändert. Ineinander verkeilte Platten, wandernde Eisberge und neu entstandene Pressrücken hatten ihre Spuren verwischt. In den wenigen Momenten, in denen es aufklarte, nahm Des Voeux, der mit Ausnahme Croziers fähigste Navigator der Franklin-Expedition, Messungen mit dem Theodolit und dem Sextanten vor. Meistens blieb ihm allerdings nichts anderes übrig, als die weitere Route zu gissen. Den Männern gegenüber gab er vor, den Weg genau zu kennen. Später gestand er Fitzjames und Crozier, dass er damit gerechnet hatte, die Schiffe um mindestens zwanzig Meilen zu verfehlen.
    In ihrer letzten Nacht auf dem Eis wurde das einzige noch verbliebene Zelt zerfetzt. Sie ließen die Schlafsäcke zurück und marschierten blind nach Südwesten weiter, nur um am Leben zu bleiben. Überflüssige Lebensmittel und Kleider warfen sie weg und zogen den Schlitten nur deshalb mit, weil sie Wasser, Flinten, Patronen und Pulver brauchten. Auf dem gesamten Weg war ihnen eine große Gestalt gefolgt. Immer wieder tauchte sie im Nebel und prasselnden Hagel auf. Und in den endlosen, dunklen Nächten hörten die Männer, dass irgendetwas um sie herumschlich.
    Am Morgen ihres einundzwanzigsten Tages auf dem Eis wurden Des Voeux und sein Trupp am nördlichen Horizont gesichtet. Noch immer marschierten sie stramm nach Westen, ohne die drei Meilen südlich von ihnen liegende Terror zu beachten. Sie wurden von einem Ausgucksposten der Erebus erspäht, allerdings war das Schiff selbst zu diesem Zeitpunkt schon vom Eis zermalmt worden. Für Des Voeux und seine Männer war es eine glückliche Fügung, dass dieser Ausgucksposten, der Eislotse James Reid, schon vor der Morgendämmerung den riesigen Eisberg erklommen hatte, der auf so verhängnisvolle Weise am Großen Venezianischen Karneval mitgewirkt hatte.
    Reid, Leutnant Le Vesconte, Goodsir und Harry Peglar führten einen Trupp hinaus, um Des Voeux und seine Leute abzuholen.
Fünf Männer aus dem Gespann des Unterleutnants brachen vor Erleichterung und Erschöpfung zusammen. Sie konnten die letzte Meile bis zur Terror nicht mehr gehen und mussten von ihren Maaten mit dem Schlitten gezogen werden. Beim Anblick der zersplitterten Planken, der eingestürzten Masten und verknäuelten Taue des Flaggschiffs, das bis vor einigen Wochen ihre Heimat gewesen war, brachen Des Voeux und die anderen fünf Besatzungsmitglieder der Erebus , die seinem Erkundungstrupp angehörten, allesamt in Tränen aus.
    Also kam der gerade Weg nach Boothia nicht in Frage. Nachdem sie Des Voeux

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