Terror

und die anderen zu Tode erschöpften Männer befragt hatten, gelangten Fitzjames und Crozier zu der Auffassung, dass unter diesen Bedingungen – und selbst bei längerem Tageslicht und höheren Temperaturen – die große Mehrheit der Männer auf dem Eis zugrunde gehen musste und nur wenige von ihnen es bis nach Boothia schaffen würden. Die Möglichkeit offener Wasserrinnen würde die Gefahr nur noch erhöhen.
    Damit standen sie vor der Wahl, entweder beim Schiff zu bleiben und auf Tauwetter zu warten oder ein Lager auf King-William-Land aufzuschlagen, um sich nach Süden zu Backs Fischfluss durchzuschlagen.
    Am nächsten Tag begann Crozier mit den Vorbereitungen für den Abzug.
     
     
    Kurz vor Sonnenuntergang und ihrem Abendessen stieß der Schlittenzug auf ein Loch im Eis. Sie hielten an, und die fünf Schlitten mit den Männern im Geschirr bildeten einen Ring um die Öffnung. Der schwarze Kreis tief unter ihnen war das erste offene Wasser, das die Männer seit zwanzig Monaten erblickt hatten.
    »Das war letzte Woche nich hier, wo wir die Pinassen zum Terror -Lager gebracht ham, Kapitän Crozier«, sagte der Vollmatrose
Thomas Tadman. »Schauen Sie mal, wie nah die Kufenspuren hinführen. Das hätten wir bestimmt gesehen. Aber da war nix.«
    Crozier nickte. In der Tat war das keine gewöhnliche Polynja. An dieser Stelle war das Eis über zehn Fuß dick – weniger stark als das erstarrte Packeis um die Terror , aber immer noch fest genug, um darauf ein Londoner Stadthaus zu errichten –, und von Pressplatten oder Sprüngen war nichts zu erkennen. Es war, als hätte jemand mit einer gigantischen Eissäge, wie sie zur Ausrüstung beider Schiffe gehörte, ein vollkommen rundes Loch herausgeschnitten.
    Nur dass ihre Sägen nie so sauber durch zehn Fuß dickes Eis gekommen wären.
    »Wir können doch gleich hier zu Abend essen«, schlug Blanky vor. »Eine Mahlzeit mit Seeblick sozusagen.«
    Die Männer schüttelten den Kopf. Crozier war ihrer Meinung. Anscheinend teilten sie sein Unbehagen über dieses tiefe, vollkommen runde Loch mit dem schwarzen Wasser darin. »Wir marschieren noch eine Stunde. Leutnant Little, bitte übernehmen Sie mit Ihrem Schlitten die Führung.«
    Ungefähr zwanzig Minuten später, nachdem die Sonne mit fast tropischer Plötzlichkeit untergegangen war und die ersten zuckenden Sterne am kalten Himmel erschienen waren, stapften mit knirschenden Schritten die Gefreiten Hopcraft und Pilkington heran, die die Nachhut bildeten. Crozier befand sich gerade neben dem letzten Schlitten. Hopcraft flüsterte: »Sir, wir werden verfolgt.«
    Crozier nahm sein Messingsehrohr aus einem oben auf dem Schlitten festgelaschten Futteral und blieb eine Minute lang mit den beiden Seesoldaten auf dem Eis stehen, während die Schlitten mit scharrenden Kufen in der Dämmerung verschwanden.
    »Dort, Sir.« Pilkington deutete mit seinem gesunden Arm. »Vielleicht isses aus dem Loch im Eis rausgekrochen, was meinen Sie? Bobby und ich glauben schon. Vielleicht hat es die ganze
Zeit da unten in dem schwarzen Wasser unter dem Eis gewartet, bis wir vorbeimarschiert sind, und is uns dann nach. Oder es hat gehofft, dass wir dort bleiben. Was meinen Sie, Sir?«
    Crozier blieb ihm die Antwort schuldig. In dem schwachen Zwielicht konnte er die Gestalt durch das Glas nur undeutlich erkennen. Sie sah weiß aus, aber nur weil sie sich kurz von den Sturmwolken abhob, die sich am nachtschwarzen Himmel im Nordwesten bildeten. Als das Wesen an Eiszacken- und brocken vorbeikam, die der Schlittenzug erst vor zwanzig Minuten ächzend passiert hatte, konnte sich der Kapitän einen Eindruck von seinen gewaltigen Ausmaßen machen. Selbst wenn es wie jetzt auf allen vieren lief, waren seine Schultern höher als die von Magnus Manson. Trotz seiner Massigkeit bewegte es sich nicht tapsig wie ein Bär, sondern eher geschmeidig wie ein Fuchs. Als Crozier das Sehrohr im auffrischenden Wind neu ansetzte, beobachtete er, wie sich das Wesen aufrichtete. Auf zwei Beinen bewegte es sich nicht ganz so schnell, aber immer noch weitaus rascher als Männer, die einen über tausend Pfund schweren Schlitten schleppten. Es überragte Eiszinnen, deren Spitze Crozier selbst mit voll ausgestrecktem Arm und Sehrohr nicht erreicht hätte.
    Dann brach mit einem Schlag endgültig die Nacht herein, und er konnte das Wesen vor dem Hintergrund von Pressrücken und Eiskämmen nicht mehr erkennen. Er führte die Seesoldaten wieder zum Schlittenzug und steckte das