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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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bestickten Taschentuch dahinter noch weißer wirkte. Dann zog er das Segeltuch über den Leichnam und rief nach dem alten Murray, der es zusammennähen sollte.

    Als er aufschaute, war Lady Silence verschwunden. Sie musste lautlos durch die Zelttür geschlüpft sein. Später fragte Crozier die Seeleute im Lager nach ihr, aber niemand hatte auch nur einen Zipfel von ihrem Anorak gesehen.
    »Dennoch, o heiliger Herre Gott, heiliger starker Gott, heiliger barmherziger Heiland«, rezitierte Fitzjames, »lass uns nicht versinken in des ewigen Todes bittre Not. Der Du den Grund unsrer Herzen kennest, verschließ Dein gnädig Ohr nicht unserm Gebet! Sondern verschone uns, heiliger Herre Gott, heiliger starker Gott, o heiliger barmherziger Heiland, Du allein würdiger, ewiger Richter. Lass uns nicht von dir abfallen in unsrer letzten Stund und Todesnot.«
    Fitzjames verstummte und trat vom Grab zurück. Eine Weile stand Crozier gedankenverloren da, bis ihn ein unruhiges Scharren von Füßen daran erinnerte, dass es an ihm war, die Totenfeier fortzusetzen.
    Er trat ans Kopfende des Grabes.
    »Darum übergeben wir den Leib unseres Freundes und Offiziers John Irving der Tiefe.« Auch Crozier, der mit krächzender Stimme sprach, konnte den Text trotz der lähmenden Müdigkeit in seinem Kopf aus dem Gedächtnis hersagen, weil er ihn in den letzten Wochen und Monaten schon so oft vorgetragen hatte. »In Erwartung der Auferstehung am letzten Tage, und des Lebens der zukünftigen Welt, durch unseren Herrn Jesum Christum, bei dessen Wiederkunft, um in Herrlichkeit die Welt zu richten, das Meer seine Toten hergeben wird.« Der Leichnam wurde in das flache Grab gehoben, und Crozier warf eine Handvoll gefrorene Erde auf ihn. Die Körner landeten auf dem Segeltuch über Irvings Gesicht und rutschten mit einem scharrenden Geräusch zur Seite. »Und die nichtigen Leiber, die in ihm ruhen, sollen ähnlich werden seinem verklärten Leibe nach der Wirkung, damit er kann alle Dinge ihm untertänig machen.«
    Das Begräbnis war vorbei. Die Taue wurden zusammengerollt.

    Die Männer stampften mit ihren kalten Füßen, setzten sich ihre Welsh Wigs und Mützen auf und schlangen sich ihre Schals um den Hals. Dann gingen sie durch den Nebel zurück zum Lager, wo eine warme Mahlzeit auf sie wartete.
    Hodgson, Little, Thomas, Des Voeux, Le Vesconte und Blanky blieben zurück und schickten die Seeleute weg, die zum Begraben des Leichnams eingeteilt worden waren. Die Offiziere schaufelten Erde in das Loch und machten sich dann daran, sorgfältig die erste Schicht Steine einzusetzen. Es war ihr Wunsch, dass Irving ein möglichst würdiges Begräbnis bekam.
    Nun entfernten sich auch Crozier und Fitzjames. Sie würden erst viel später essen, denn sie hatten vor, die zwei Meilen zum Victory Point zu marschieren, wo Graham Gore vor fast einem Jahr den Messingzylinder mit der Botschaft in James Ross’ altes Steinmal gelegt hatte.
    Heute wollte Crozier dort eine Nachricht darüber hinterlassen, wie es der Expedition in den elf Monaten seit Gores Notiz ergangen war und was sie als Nächstes unternehmen würden.
    Müde durch den Nebel stapfend, hörte er, wie die Seeleute von einer der beiden Glocken, die sie von den aufgegebenen Schiffen mitgenommen hatten, zum Essen gerufen wurden. Spätestens wenn er und Fitzjames das Steinmal erreichten, musste er eine Entscheidung treffen. Francis Crozier konnte nur hoffen, dass er dann noch dazu imstande war.

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Peglar
    69°37′42′′ NÖRDLICHE BREITE | 98°41′ WESTLICHE LÄNGE 25. APRIL 1848
     
     
     
    D er Fisch und das Robbenfleisch auf dem Schlitten hatten nicht gereicht, um fünfundneunzig bis hundert Männern eine richtige Mahlzeit zu servieren. Mr. Diggle und Mr. Wall waren zwar dafür berühmt, dass sie mit den begrenzten Schiffsvorräten wahre Wunder vollbrachten, aber hier mussten auch sie sich geschlagen geben, zumal ein Teil der Lebensmittel der Eskimos bereits verdorben war. Immerhin erhielt jeder Einzelne neben Büchsengemüse und -eintopf etwas von dem schmackhaften Speck oder Fisch.
    Harry Peglar genoss die Mahlzeit, obwohl er beim Essen vor Kälte zitterte und schon ahnte, dass er wieder den Durchfall bekommen würde, der ihn schon seit Tagen quälte.
    Bevor sie sich wieder an ihre Pflichten machen mussten, unternahmen Peglar und John Bridgens einen kleinen Spaziergang. Sie hatten Zinnbecher mit lauwarmem Tee dabei. Der Nebel dämpfte ihre Stimmen, schien aber gleichzeitig Geräusche aus der

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