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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Ferne zu verstärken. Sie konnten hören, wie sich ein paar Männer in einem Zelt auf der anderen Seite des Lagers über ein Kartenspiel stritten. Aus Nordwesten – die Richtung, in der die beiden Kapitäne vor dem Essen verschwunden waren – brandete
das Grollen von Donner über das Packeis. Das Dröhnen war schon den ganzen Tag zu vernehmen gewesen, doch das Gewitter war bis jetzt ausgeblieben.
    Die beiden hielten vor der langen Reihe von Booten und Bootsschlitten, die auf dem mit Eisbrocken übersäten Strand standen.
    »Kannst du mir sagen, Harry«, fragte Bridgens, »welche Boote wir nehmen werden, wenn wir wieder raus aufs Eis müssen?«
    Peglar nahm einen Schluck Tee und wiegte den Kopf hin und her. »Ich bin mir nicht sicher, aber ich vermute, Kapitän Crozier wird sich auf zehn von den achtzehn beschränken. Für mehr haben wir nicht mehr genügend gesunde Leute.«
    »Warum haben wir dann alle achtzehn hierher ins Lager geschleppt?«
    »Der Kapitän hat damit gerechnet, dass wir vielleicht zwei oder drei Monate im Lager bleiben, bis das Eis aufgetaut ist. In dem Fall sind mehr Boote besser – als Reserve, falls einige beschädigt werden. Außerdem kann man mit achtzehn Booten auch viel mehr Lebensmittel, Zelte und Ausrüstung transportieren. Wenn jetzt mehr als zehn Mann auf ein Boot kommen, wird es verdammt eng, und wir müssen einiges an Vorräten zurücklassen.«
    »Du meinst also, wir brechen mit zehn Booten nach Süden auf? Und schon bald?«
    »Bei Gott, das hoffe ich.« Peglar erzählte Bridgens von den Geschehnissen am Morgen: Wie Goodsir festgestellt hatte, dass die Mägen der Eskimos voll mit Robbenfleisch waren, ganz ähnlich dem von Irving, und wie der Kapitän die Anwesenden, vielleicht mit Ausnahme der Seesoldaten, behandelt hatte wie mögliche Zeugen oder Geschworene bei einer Gerichtsverhandlung. Außerdem hatte der Kapitän sie zur Geheimhaltung verpflichtet.
    Bridgens sprach mit leiser Stimme. »Ich glaube, Kapitän
Crozier ist nicht davon überzeugt, dass die Eskimos Leutnant Irving umgebracht haben.«
    »Was? Wer soll ihn denn sonst …« Peglar verstummte. Kälte und Übelkeit, die für ihn inzwischen zu ständigen Begleitern geworden waren, stiegen wie eine Welle in ihm hoch. Er musste sich an ein Walboot lehnen, damit seine Knie nicht nachgaben. Er war nie auf den Gedanken gekommen, dass jemand anderer als die Wilden diese schreckliche Tat begangen haben könnten. Plötzlich fiel ihm wieder der gefrorene Haufen grauer Eingeweide ein.
    »Richard Aylmore ist der Meinung, dass uns die Offiziere in diesen Schlamassel reingeritten haben.« Bridgens’ Stimme war jetzt fast nur noch ein Flüstern. »Er erzählt jedem, der ihn nicht verrät, dass wir die Offiziere töten und die zusätzlichen Essensrationen unter uns aufteilen sollten. Aylmore in unserer Gruppe und dieser Kalfaterersmaat in deiner sind dafür, dass wir sofort zur Terror zurückkehren.«
    »Zurück zur Terror  …« Peglar wusste, dass er abgestumpft war vor Krankheit und Erschöpfung, aber das war sicher nicht der einzige Grund, warum ihm diese Idee völlig sinnlos vorkam. Das Schiff war draußen im Meereis eingeschlossen, und daran würde sich noch mehrere Monate nichts ändern, selbst wenn sich der Sommer dazu herabließ, in diesem Jahr noch ein Gastspiel zu geben. »Warum höre ich solche Gerüchte nicht, John? Mir ist dieses aufwieglerische Geflüster nicht zu Ohren gekommen.«
    Bridgens lächelte. »Sie trauen dir nicht, mein lieber Harry. Sie meinen, du könntest sie verraten.«
    »Und dir trauen sie?«
    »Natürlich nicht. Aber früher oder später höre ich alles. Stewards sind unsichtbar, weißt du. Sie sind weder Fisch noch Fleisch noch Geflügel. Apropos, das war wirklich ein köstliches Mahl, findest du nicht? Vielleicht das letzte frische Fleisch, das wir je essen werden.«

    Peglar blieb ihm die Antwort darauf schuldig. In seinem Kopf ging es drunter und drüber. »Müssen wir Fitzjames und Crozier nicht warnen?«
    »Ach, die wissen schon längst, was Aylmore und Hickey treiben«, bemerkte der alte Steward beiläufig. »Unsere Kapitäne haben ihre eigenen Informationsquellen bei den Leuten vor dem Mast.«
    Peglar schüttelte den Kopf. Die Vorstellung, dass sich die Männer inmitten dieser schrecklichen Entbehrungen gegeneinander wenden könnten, verursachte ihm Schwindel.
    Bridgens klopfte mit seinem abgetragenen Fäustling auf den umgedrehten Rumpf eines Walboots. »Weißt du, welche von diesen Booten

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