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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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 – bei dem ständigen Trommelwirbel des näher rückenden Donners hätten sie nicht einmal ihre Rufe gehört.
    Schließlich stolperten sie direkt über das Mal.
    »Es war doch vorher woanders«, murmelte Crozier.
    »Scheint mir auch so.«
    »Ross’ Steinmal mit der Nachricht von Gore darin war auf dem Gipfel der Anhöhe am Victory Point. Und jetzt sind wir fünfzig Faden westlich davon und fast ganz unten in der Talsenke.«
    »Äußerst merkwürdig«, stellte Fitzjames fest. »Francis, du warst doch schon oft in der Arktis. Dieses Donnern … ist es üblich, dass die Gewitter schon so früh im Jahr anfangen?«
    »Ich habe es noch nie vor dem Hochsommer gehört. Und noch nie in dieser Art. Es klingt beinahe wie etwas Schlimmeres.«

    »Was könnte schlimmer sein als ein Gewitter Ende April, bei minus zwanzig Grad?«
    »Kanonenschüsse.«
    »Kanonenschüsse?«
    »Von einem Rettungsschiff, das durch offene Fahrrinnen im Lancaster- und Peel-Sund den ganzen Weg bis hierher zurückgelegt hat, nur um die zermalmte Erebus und die verlassene Terror zu finden. Vierundzwanzig Stunden lang feuern sie ihre Kanonen ab, um unsere Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, dann kehren sie wieder um.«
    »Bitte hör auf, Francis. Wenn du noch ein Wort sagst, muss ich mich übergeben. Und das habe ich heute eigentlich schon erledigt.«
    »Entschuldige.« Crozier kramte in seinen Taschen.
    »Kann es wirklich sein, dass das Kanonenschüsse sind, die uns gelten? Es klingt tatsächlich ein wenig nach Kanonen.«
    »Das ist ungefähr so wahrscheinlich wie ein Schneeball in Sir Johns Hölle. Das Packeis ist fest bis hinauf nach Grönland.«
    »Aber woher kommt dann dieser Nebel?« Fitzjames’ Stimme klang eher neugierig als verängstigt. »Suchst du was Bestimmtes, Francis?«
    »Ich habe vergessen, den Messingbehälter für die Nachricht mitzunehmen. Bei der Beerdigung habe ich ein Gewicht in der Manteltasche gespürt und gedacht, ich habe ihn eingesteckt, aber es ist nur mein verdammter Revolver.«
    »Hast du Papier dabei?«
    »Nein. Jopson hat es mir hingelegt, aber ich habe es im Zelt vergessen.«
    »Und eine Feder? Tinte? Ich habe festgestellt, wenn ich das Tintenfass nicht in einem Beutel dicht am Körper trage, friert sie schnell ein.«
    »Kein Schreibzeug«, gestand Crozier.

    »Macht nichts. Ich habe beides in der Wamstasche. Wir können Graham Gores Botschaft nehmen und darauf schreiben.«
    »Wenn es überhaupt das richtige Steinmal ist. Ross’ Mal war sechs Fuß hoch. Der Haufen hier reicht mir ja kaum bis zur Brust.«
    Die zwei Männer machten sich daran, unten an der Leeseite des Mals Steine herauszuziehen. Sie wollten nicht den ganzen Haufen abtragen und ihn dann wieder aufbauen.
    Fitzjames griff in das dunkle Loch, fummelte kurz herum und zog einen angelaufenen, aber ansonsten unversehrten Messingzylinder heraus.
    »Mich laust der Affe«, bemerkte Crozier. »Ist das der von Graham?«
    »Es kann ja nur seiner sein.« Mit den Zähnen zerrte sich Fitzjames den Fäustling herunter, entrollte unbeholfen das Pergament und begann zu lesen.
    28. Mai 1847. HMS Erebus und Terror … Überwintert im Eis in 70°05 ′ nördl. Br., 98°23 ′ westl. L. Davor Überwinterung 1846/47 auf Beechey-Insel in 74°43 ′ 28 ′′ nördl. Br…
    Fitzjames unterbrach sich. »Warte mal, das stimmt doch nicht. Wir haben den Winter 1845/46 auf Beechey verbracht, nicht den Winter 1846/47.«
    »Das hat Sir John Gore diktiert, bevor der Leutnant hierher aufgebrochen ist. Sir John muss genauso müde und verwirrt gewesen sein wie wir jetzt.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand schon jemals so müde und verwirrt war wie wir«, erwiderte Fitzjames mit einem schwachen Lächeln. »Hier … weiter unten steht: ›Kommandant der Expedition Sir John Franklin. Alle wohlauf. ‹«
    Crozier brach weder in Lachen noch in Tränen aus. »Eine
Woche nachdem Graham Gore diese Nachricht hinterlegt hat, hat das Wesen aus dem Eis Sir John umgebracht.«
    »Und schon einen Tag danach hatte es Graham getötet. ›Alle wohlauf.‹ Das kommt einem vor wie aus einem anderen Leben. Kannst du dich noch an eine Zeit erinnern, in der wir so etwas ruhigen Gewissens hätten behaupten können? Am Rand der Notiz ist noch Platz, da kannst du was hinschreiben.«
    Sie kauerten sich an der Leeseite des Mals nieder. Die Temperatur war gefallen und der Wind aufgefrischt, doch davon völlig unbeeindruckt wogte um sie herum noch immer der Nebel. Schon zeigten sich erste Vorboten

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