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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Mann am Ruder und eine dritte Einschätzung, ob diese Fahrrinne irgendwohin führt«, flüsterte Crozier. »Und es muss mindestens ein Mann dabei sein, der schwimmen kann.«
    Peglar lächelte, obwohl ihm ein Schauer über den Rücken lief bei der Vorstellung, Bekanntschaft mit diesem kalten, schwarzen Wasser zu machen. Die Lufttemperatur lag unter dem Gefrierpunkt, und für das Wasser mit seinem Salzgehalt galt wahrscheinlich das Gleiche.
    Crozier klopfte Peglar auf die Schulter und näherte sich dem nächsten »Freiwilligen«. Für den Vortoppmann war nicht zu verkennen, dass der Kapitän die Männer für diese Erkundungsfahrt sorgfältig auswählte und gleichzeitig darauf achtete, den Ersten
Unterleutnant Des Voeux, den Zweiten Unterleutnant Robert Thomas und seinen Bootsmannsmaat Tom Johnson sowie alle Seesoldaten bei sich zu behalten.
    Nach einer halben Stunde konnte das Boot zu Wasser gelassen werden.
    Es war eine sonderbare kleine Expedition. Sie hatten einen Beutel mit ein wenig Salzfleisch und Zwieback und Wasserflaschen dabei, für den Fall, dass sie sich verirrten oder sich ihre Fahrt aus anderen Gründen verzögerte. Jeder der neun Männer erhielt eine Axt oder eine Spitzhacke. Sollte ein kleiner überhängender Eisberg oder eine dünne Eisschicht die Rinne versperren, konnten sie versuchen, sich den Weg freizuhacken. Wenn sie von einem breiteren Eisabschnitt aufgehalten wurden, würden sie das Boot, falls möglich, zum nächsten Stück Wasser tragen. Peglar hoffte, dass er noch genug Kraft besaß, um das schwere Boot mit den anderen fünfzig Faden weit zu ziehen und zu schieben.
    Kapitän Crozier reichte Leutnant Little eine zweiläufige Schrotflinte und einen Beutel Patronen. Die Sachen wurden vorn im Bug verstaut.
    Für den Fall, dass sie irgendwo da draußen strandeten, gab es unter den vielen Ausrüstungsgegenständen an Bord auch ein größeres Zelt und eine Persenning für den Boden. Auch drei Schlafsäcke für je drei Männer hatten sie dabei. Aber natürlich hatten sie nicht vor, sich zu verirren.
    Im eisig wabernden Nebel kletterten die Männer an ihre Plätze. Im vergangenen Winter hatten Crozier und die anderen Offiziere darüber nachgedacht, ob die Zimmerleute die Wände der Boote erhöhen sollten, um sie seetüchtiger zu machen. Doch letztlich wurde beschlossen, die Dollborde unverändert zu lassen, weil dies für die Flussfahrt günstiger war. Außerdem hatte Crozier alle Ruder kürzen lassen, damit sie auf dem Fluss als Paddel eingesetzt werden konnten.

    Die auf dem Boden des Boots verstaute Tonne an Ausrüstung und Lebensmitteln erschwerte allen das Sitzen. Die sechs Matrosen an den Riemen mussten die Füße auf Taschen stellen und hatten die Knie beim Rudern auf Kinnhöhe. Als Bootssteuerer fand sich Peglar nicht wie üblich auf der Heckbank wieder, sondern auf einem vertäuten Bündel. Doch alle passten hinein, und auch Leutnant Little und Mr. Reid mit ihren langen Staken fanden im Bug Platz.
    Die Männer brannten darauf, abzulegen. Nach einem allgemeinen »Eins, zwei, drei« und mehrmaligem »Hau-ruck« glitt das Walboot übers Eis, der Bug sank zwei Fuß tief ins Wasser, und die Rudergasten drückten mit den Riemen gegen das Eis. Während sich Mr. Reid und Leutnant Little am Dollbord festhielten, schoben die Männer auf dem Eis erneut, Ruder tauchten ins Wasser, und dann waren sie unterwegs – das erste Boot der Erebus und Terror seit fast zwei Jahren, das Wasser unter seinem Rumpf spürte.
    Die Zurückbleibenden brachen in einen lauten Jubelschrei aus, dann folgte das traditionelle dreifache »Hipp, hipp, hurra!«.
    Peglar steuerte das Boot in die Mitte der schmalen Rinne, die hier nirgends breiter als zwanzig Fuß war und manchmal kaum Raum für die gekürzten Riemen ließ. Als er Zeit für einen Blick zurück fand, waren die Männer achtern bereits im Nebel verschwunden.
     
     
    Die nächsten zwei Stunden vergingen wie im Traum. Vor drei Jahren hatten sie sich über eine Woche lang durch Trümmereis tasten müssen, ehe sie vor der Beechey-Insel geeignete Ankerplätze für die Schiffe fanden. Damals hatte Peglar das Kommando über eines der kleinen Boote geführt, aber das Gefühl war ganz anders gewesen. Jetzt wurde die Rinne nie breiter als dreißig Fuß und an manchen Stellen so eng, dass sie nicht rudernd
vorwärtskamen, sondern durch Abstoßen vom Eis, das fast die Bootswände streifte. Der enge Kanal zog sich nach links und dann nach rechts, aber die Biegungen waren nie so

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