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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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schmal, dass das Boot ihnen nicht folgen konnte. Zu beiden Seiten verstellten ihnen hoch aufgetürmte Pressrücken den Blick. Der Nebel lichtete sich ab und zu, um sich gleich darauf nur noch dichter um sie zu legen. Alle Geräusche schienen zugleich gedämpft und verstärkt, und die Rudergänger verfielen unwillkürlich in einen verstohlenen Flüsterton, wenn sie sich etwas mitzuteilen hatten.
    Zweimal mussten fast sämtliche Männer aus dem Boot steigen, um mit ihren Äxten und Spitzhacken Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Einmal war es treibendes Eis, das andere Mal war die Rinne stark zugefroren.
    In diesen Fällen blieben einige Männer zu beiden Seiten auf dem Eis, um an Leinen zu ziehen, die am Bug und an den Duchten befestigt waren, oder um das Boot an den Dollborden schrammend und scharrend durch den engen Spalt zu schieben. Dann wurde die Rinne wieder so breit, dass sie zurück ins Boot klettern und rudern konnten.
    Langsam, fast kriechend kamen sie voran. Als die zwei ausgemachten Stunden fast vorüber waren, wurde die gewundene Rinne auf einmal schmäler. An beiden Seiten scheuerte das Eis gegen die Bootswände, und sie stakten sich mit den Riemen weiter. Peglar stand vorn im Bug, weil seine Ruderpinne nutzlos war. Plötzlich gelangten sie in einen Wasserabschnitt, der viel breiter war als alles Bisherige. Wie zur Bestätigung, dass sie nun alle Schwierigkeiten hinter sich gelassen hatten, lichtete sich der Nebel. Ihr Blick ging hunderte von Faden weit über offenes Wasser.
    Entweder waren sie wirklich auf offenes Meer gestoßen, oder es war ein riesiger See im Eis. Aus einer Lücke zwischen den Wolken strömte Sonnenlicht herab und färbte das Meerwasser
blau. Vor ihnen in der azurnen See trieben mehrere flache Eisberge, von denen einer die Größe eines mittleren Kricketfeldes hatte. Die Eisberge warfen das Licht zurück, und die müden Seeleute beschirmten die Augen gegen den schmerzhaften Glanz von Eis, Schnee und Wasser.
    Die sechs Matrosen an den Rudern stießen einen lauten Jubelschrei aus.
    »Nicht so voreilig, Maaten.« Leutnant Little spähte durch sein Sehrohr, den Fuß auf dem Bug des Walboots. »Wir wissen noch nicht, ob das so weitergeht … ob aus diesem Eissee noch eine andere Rinne herausführt als die, durch die wir gekommen sind. Das müssen wir unbedingt nachprüfen, bevor wir wieder umkehren.«
    »Ach, das geht bestimmt weiter«, rief der Matrose Berry von seinem Platz an den Riemen. »Das spür ich in den Knochen. Offenes Wasser und eine ordentliche Brise bis zu Backs Fluss, garantiert. Wir holen die anderen, setzen unsere Segel, und morgen zum Abendessen sind wir da.«
    »Wollen wir hoffen, dass du recht hast, Alex«, erwiderte Little. »Aber jetzt müssen wir uns noch ein bisschen in die Ruder stemmen, um sicherzugehen. Ich möchte den anderen nur gute Nachrichten mitbringen.«
    Der Eislotse Reid deutete in die Richtung, aus der sie gekommen waren. »Da sind ein Dutzend Zuflüsse. Wir sollten unsere Fahrrine markieren, sonst finden wir sie vielleicht nicht mehr, wenn wir zurückkommen. Los, Männer, rudert! Mr. Peglar, nehmen Sie doch einfach die Stake und stoßen Sie sie ins Eis hier am Eingang. Daran können wir uns nachher orientieren.«
    »Ja, mach ich«, sagte Peglar.
    Nachdem die Öffnung gekennzeichnet war, ruderten sie hinaus auf den See. Der große, flache Eisberg war nur rund fünfzig Faden von ihrer Fahrrinne entfernt, und sie kamen dicht daran vorbei.

    »Wenn wir auf dem Dickschädel da unsere Zelte aufschlagn täten, hätten wir immer noch ’n Haufen Platz«, bemerkte der Matrose Henry Sait von der Terror.
    »Wir wollen hier aber nicht unsere Zelte aufschlagen«, antwortete der Leutnant vom Bug aus. »Von Zelten haben wir jetzt erst mal die Schnauze voll. Wir wollen nach Hause.«
    Jubelnd legten sich die Männer in die Riemen. Peglar an der Pinne stimmte ein Seemannslied an, und zum ersten Mal seit Monaten sangen die Matrosen wieder aus vollem Herzen mit.
     
     
    Sie brauchten noch einmal eineinhalb Stunden, aber sie mussten sichergehen.
    Das offene Wasser erwies sich als Illusion: ein See im Eis, der etwas über eineinhalb Meilen lang und gut zwei Drittelmeilen breit war. Vom unregelmäßigen Rand des Sees im Süden, Osten und Norden gingen Dutzende von Rinnen aus, aber sie endeten jedes Mal schon nach ein paar Dutzend Fuß.
    Am südöstlichen Ausläufer des Sees trieben sie eine Spitzhacke ins Eis, machten das Boot daran fest und schlugen Stufen ins Eis. Über

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