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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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geborstener Schädel, der große, blutbesudelte Pelz sowie zerbrochene Knochen und Tatzen.
    Zuerst waren die Männer beruhigt. Freilich stellten auch sie sich bald die Frage, wer diese großen Raubthiere so kurz vor unserer Ankunft getödtet haben mochte.
    Die Antwort lag auf der Hand.
    Aber warum schlachtete das Wesen die Weißen Bären ab? Auch in diesem Falle lag die Antwort auf der Hand: um uns jeder nur erdenklichen Nahrungsquelle zu berauben.
    Am 16. Julius schienen die Männer außerstande, weiter zu marschieren. An einem Tage, an welchem wir achtzehn Stunden unablässig schleppten, legten wir weniger als eine Meile zurück. Oft wenn wir am Abend die Zelte aufschlugen, konnten wir noch den Haufen weggeworfener Kleider und Ausrüstung der letzten Nacht sehen. Immer wieder entdeckten wir hingemetzelte Weiße Bären. Die allgemeine Niedergeschlagenheit war so groß, daß sich die Mehrheit bei einer freien Abstimmung dafür entschieden hätte, aufzugeben und sich zum Sterben niederzulegen.
    In jener Nacht des 16. Julius, in welcher alle schliefen und nur ein Mann Wache hielt, bath mich Capitain Crozier in sein Zelt. Selbiges theilte er mittlerweile mit Charles Des Voeux, seinem Proviantmeister Charles Hamilton Osmer, welcher Zeichen einer Pneumonie an den Tag legt, dem Steuermannsmaat William Bell und dem Backsgast Philip Reddington, die beide der Besatzung der Erebus angehört hatten.
    Der Capitain begrüßte mich, und mit Ausnahme des Unterleutnants Des Voeux und Mr. Osmers verließen nunmehr alle das Zelt, auf daß wir uns ungestört unterreden konnten.
    »Dr. Goodsir«, begann der Capitain, »ich benöthige Ihren Rath.«
    Ich nickte und wartete.
    »Wir verfügen über ausreichend Kleidung«, fuhr Crozier fort. »Die Ersatzstiefel, welche ich die Männer in den Vorrathspinassen mitschleppen hieß, haben viele vor Amputationen bewahrt.«
    »In der That, Sir.« Ich wußte, daß dies nicht die Frage war, in welcher er meinen Rath zu hören wünschte.

    »Morgen früh werde ich den Männern mittheilen, daß wir ein Walboot, zwey Kutter und eine Pinasse zurücklassen und fortan allein mit den anderen fünf Booten weiterziehen werden. Selbige zwey Walboote, zwey Kutter und eine Pinasse befinden sich in dem besten Zustand und sollten genügen, falls wir vor der Mündung von Backs Fluß auf offenes Wasser treffen, da sich unsere Vorräthe unterdessen stark vermindert haben.«
    »Die Männer werden von Herzen froh seyn, Capitain Crozier«, versetzte ich. Ich für mein Theil war äußerst froh. Da auch ich im Geschirr mitzugehen hatte, fiel mir buchstäblich eine große Bürde von den Schultern, als ich vernahm, daß die Tage der verfluchten Staffelzüge vorüber waren.
    Mit ernstem Gesichte und nahezu erloschener Stimme sprach Crozier weiter. »Ich muß wissen, ob ich die Rationen der Männer noch weiter kürzen kann. Oder vielmehr, ob sie bei gekürzten Rationen noch im Stande seyn werden, die Schlitten zu ziehen. Wie lautet Ihr ärztliches Urtheil, Dr. Goodsir?«
    Ich senkte den Blick. Eine von Mr. Diggles Pfannen oder vielleicht auch Mr. Walls tragbarer Apparat zur Zubereitung von Tee hatte ein rundes Loch in den Zeltboden gebrannt.
    Endlich hob ich zu einer Antwort an, wiewohl ich nur zu sagen vermochte, was ohnehin bereits alle wußten. »Capitain Crozier, Mr. Des Voeux, die Männer bekommen schon jetzt nicht genügend Nahrung für ihre täglichen Mühen.« Ich schöpfte A them. »Alles, was sie zu sich nehmen, ist kalt. Die letzten Conserven wurden bereits vor vielen Wochen verzehrt. Die Spirituskocher und -lampen wurden mit der letzten leeren Flasche Holzgeist auf dem Eise zurückgelassen. Zum Essen heute Abend wird jeder Mann einen Schiffszwieback, eine dünne Scheibe kaltes Salzfleisch, eine Unze Chocolade, eine Handvoll Tee, einen knappen Teelöffel Zucker und den täglichen Suppenlöffel Rum erhalten.«
    »Und eine Prise Taback, welchen wir eigens für das Schiffsvolk gehortet haben«, fügte Mr. Osmer hinzu.
    Ich nickte. »Gewiß, auch eine Prise Taback. Und sie lieben ihren Taback. Es war in der That ein geistreicher Einfall, einiges davon aufzubewahren.
Indeß, Capitain Crozier, kann ich mich nicht zu der Auffassung verstehen, daß die Männer mit noch weniger als der jetzigen, ohnehin schon unzureichenden Nahrungsmenge auszukommen vermögen.«
    »Aber sie müssen«, entgegnete Capitain Crozier. »In sechs Tagen geht unser gesalzenes Schweinefleisch zur Neige. Der Rum in zehn Tagen.«
    Mr. Des Voeux

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