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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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unglaublich Fauligem riechend, türmt er sich hoch vor dem kleinen Francis auf.
    Francis schließt die Augen und streckt die Zunge aus, um die Hostie zu empfangen, so wie es ihm Memo beigebracht hat, als er auf dem dünnen Teppich in ihrer Stube kniete. Doch so wichtig und notwendig dieses Sakrament auch sein mag, er hat schreckliche Angst davor. Er weiß, dass sein Leben nie mehr so sein wird wie früher, wenn er erst einmal an der papistischen Eucharistie teilgenommen hat. Aber er weiß auch, dass sein Leben enden wird, wenn er sie nicht empfängt.
    Der Priester kommt näher und beugt sich zu ihm herab …
    Crozier erwachte tief vergraben im Walboot. Wie immer, wenn er aus diesen Träumen auftauchte, schlug sein Herz heftig, und sein Mund war ausgetrocknet vor Furcht. Außerdem zitterte er, aber das lag mehr an der Kälte als an der Angst oder der Erinnerung an die Angst.
    Am 17. und 18. Juli war in dem Teil der Meerenge oder des Golfs, in dem sie marschierten, das Eis aufgebrochen. Vier Tage lang hatte Crozier die Männer auf einer großen Eisscholle zusammengehalten. Sie hatten die Kutter und die Pinasse von den Schlitten genommen und alle Boote, mit Ausnahme der Zelte und Schlafsäcke, voll beladen und für das offene Wasser aufgetakelt.
    Jede Nacht wurden sie vom Schwanken der Scholle und vom Brechen des Eises aus dem Schlaf gerissen und rannten wie aufgescheuchtes Federvieh aus ihren Zelten hinaus in der Gewissheit, dass sich die See unter ihnen auftat, um sie zu verschlingen wie Sergeant Tozer und die anderen Seesoldaten. Doch jede Nacht klang das kanonenschussartige Krachen des Eises schließlich wieder ab, das Schaukeln wurde zu einem regelmäßigeren Schwingen, und sie krochen zurück in ihre Zelte.
    Es war wärmer, und manchmal stiegen die Temperaturen fast bis zum Gefrierpunkt an. Crozier war sich sicher, dass diese wenigen
Wochen Ende Juli die einzige Ahnung von Sommer bleiben würden. Doch trotz der relativen Wärme froren die Männer mehr als je zuvor. An manchen Tagen regnete es sogar. Wenn es nicht regnete, durchweichten die Eiskristalle in der dunstigen Luft ihre Wollkleidung, da es für wasserdichte Winterplünnen zu warm war. Vom Schleppen der Boote lief ihnen der Schweiß in die schmutzige Unterwäsche, in die Hemden und Socken und in die zerschlissenen, eisverkrusteten Hosen. Trotz der fast aufgebrauchten Vorräte waren die fünf übriggebliebenen Boote schwerer, als es die zehn je gewesen waren, denn zusätzlich zu dem immer noch essenden, atmenden, aber nur bewusstlos vor sich hin starrenden David Leys mussten sie auch immer mehr Kranke mitziehen. Obwohl Crozier daran gedacht hatte, viele Paar Ersatzstiefel mitzunehmen, hatten die Männer ständig nasse Füße, und jeden Tag meldete Goodsir dem Kapitän weitere Fälle von schwarz verfärbten Zehen und Fersen und von brandigen Füßen, die bald amputiert werden mussten.
    Die Hollandzelte wurden nicht mehr trocken. Auch die steinhart gefrorenen Schlafsäcke, in die sie bei Anbruch der Dunkelheit krochen, trieften nach einiger Zeit von der Körperwärme. Wenn sie nach kurzem, unruhigem Schlaf erwachten, zitterten sie noch immer vor Kälte. An den Innenwänden hing dichter Raureif, der den Männern auf den Kopf, die Schultern und ins Gesicht tropfte, während sie den lauwarmen Tee tranken, den Crozier, Des Voeux und Couch jeden Morgen verteilten. Diese seltsame Umkehrung der Rollen, bei der die Offiziere zu Stewards wurden, hatte Crozier in der ersten Woche auf dem Eis eingeführt. Für die Männer war sie inzwischen eine Selbstverständlichkeit.
    Mr. Wall, der Koch der Erebus , litt an Schwindsucht und lag die meiste Zeit zusammengekrümmt in einem Kutter, doch Mr. Diggle war noch immer der kraftvolle, tüchtige, polternde und irgendwie trostreiche Kauz, als der er sich drei Jahre lang auf seinem
Posten an dem mächtigen Patentherd der HMS Terror erwiesen hatte. Nachdem der Holzgeist aufgebraucht und sowohl die Spirituskocher als auch die schweren Walbootherde zurückgelassen worden waren, bestand Diggles Aufgabe hauptsächlich darin, unter Aufsicht Mr. Osmers und eines anderen Offiziers zweimal am Tag die kleine Portion Salzfleisch und andere Lebensmittel aufzuteilen. Aber als unverbesserlicher Optimist hatte er außerdem einen behelfsmäßigen Robbentranherd konstruiert, den er jederzeit anzünden konnte, falls sie Seehunde erlegten.
    Jeden Tag schickte Crozier Jagdtrupps aus, um Robben für Mr. Diggles Kochtopf zu beschaffen. Doch sie

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