Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
verharrten jedoch in ihren Schlafsäcken.
    Jene aber, welche zagend geflohen waren, kehrten mit beschämter Miene zurück in den übelriechenden Brodem unserer Zelte, welche erfüllt waren von schnarchenden, aneinander gedrängten Leibern in feuchten Schlafsäcken. Zum Glück konnte niemand in der Finsterniß die verlegenen Gesichter sehen.

     
     
    Den ganzen nächsten Tag schleppten wir die Boote nach Südosten über eine Oberfläche, welche nicht fester schien als eine gespannte Haut aus Gummi arabicum. Sprünge thaten sich auf und offenbarten bisweilen sechs Fuß starkes Eis zwischen der Oberfläche und der See. Bald hatte sich das Gefühl, über ebenes Eis zu gehen, verwandelt in die schreckliche Gewißheit, daß wir auf einem wogenden weißen Oceane von Scholle zu Scholle zogen.
    Ich möchte nicht verabsäumen zu erwähnen, daß ich am zweyten Abend nach unserem Abmarsch von jenem eingeschlossenen See meiner Pflicht nachkam, die persönlichen Effecten der Verstorbenen zu sichten, welche größtentheils bei der allgemeinen Ausrüstung verblieben waren, als Leutnant Littles Trupp zu seiner unglückseligen Erkundungsfahrt aufbrach. Hierbei stieß ich auch auf den kleinen Seesack des Vortoppmannes Peglar, welcher etliche Kleidungsstücke, Briefe und persönliche Gegenstände enthielt wie etwa einen Hornkamm und mehrere Bücher.
    Da fragte mein Gehülfe John Bridgens: »Dürfte ich einige dieser Sachen behalten, Dr. Goodsir?«
    Überrascht sah ich ihn an. Bridgens deutete auf den Kamm und ein dickes, ledernes Notizbuch.
    In dieses hatte ich bereits einen Blick gethan. Peglar bediente sich einer plumpen Art von Geheimschrift, welche darin bestand, die Wörter in umgekehrter Reihenfolge zu buchstabiren und die letzte Letter des letzten Wortes groß zu schreiben. Die Schilderung dessen, was sich im vergangenen Jahre auf unserer Expedition zugetragen, wäre zwar vielleicht für einen Verwandten von Interesse gewesen, indeß hatten die Handschrift und der Satzbau des Vortoppmannes in den Monathen unmittelbar vor und nach der Aufgabe der Schiffe immer mehr nachgelassen, von der Rechtschreibung ganz zu schweigen, bis endlich kaum mehr ein rechter Sinn zu erkennen war.
    Ein Eintrag lautete: »O Tod, wor ist dein Stachel, das Grab in der Comfort Cove denn wer hat irgendeinen Zweifel wie … (hier folgte eine unleserliche Zeile, weil das Wasser das Buch beschädigt hatte) … der Färber sägt …«

    Auf die Rückseite dieses Blatts hatte Peglar einen zitterigen Kreis gezeichnet und in selbigen geschrieben: »das leere Terror -Lager«. Das Datum war zwar unleserlich, freilich ist zu vermuthen, daß es in die Zeit des 25. April fiel. Eine andere Seite enthielt Bruchstücke, so etwa: »Haben wir einen sehr festen Boden zu heben … wir werden Grog benöthigen, hum uns … all mein Kunst Tom, denn ich meine … Zeit … ich eng sollt liegen und … die 21. Nacht acordir …«
    Dies hatte Peglar wohl am Abend des 21. April notirt, als Capitain Crozier der versammelten Besatzung verkündet hatte, daß die letzten Männer das Schiff am nächsten Tage verlassen würden.
    Es handelte sich also um das Gekritzel eines halbgebildeten Mannes, mit welchem er fürwahr keine Ehre einzulegen vermochte.
    »Warum wollen Sie diese Sachen?«, fragte ich Bridgens. »War Peglar ein Freund von Ihnen?«
    »Ja, Dr. Goodsir.«
    »Benöthigen Sie einen Kamm?« Der alte Steward war fast kahl.
    »Nein, es ist nur eine Erinnerung an Peglar. Der Kamm und das Tagebuch genügen.«
    Dieses Ansinnen dünkte mich seltsam, da doch die meisten danach trachteten, ihr Gepäck leichter zu machen und sich nicht gar noch mit schweren Büchern abzuplagen.
    Dennoch überließ ich Bridgens den Kamm und das Tagebuch. Niemand wollte Peglars Hemd, Socken, wollene Ersatzhose und Bibel, und so legte ich sie auf den Haufen nicht mehr gebrauchter Dinge. Alles in allem bildeten die zurückgelassenen Habseligkeiten von Peglar, Little, Reid, Berry, Crispe, Bates, Sims, Wentzall und Sait ein trauriges Denkmal menschlicher Vergänglichkeit.
    Am Morgen des 12. Julius stießen wir auf weitere Blutlachen auf dem Eise. Den Männern fuhr der Schreck gehörig in die Glieder, vermeinten sie doch, dies seyen Spuren unserer Maaten. Indeß führte uns Capitain Crozier zur Mitte der karmesinrothen Sternflecke, und wir wurden gewahr, daß dort die Kadaver Weißer Bären lagen. All diese Polarbären waren hingemordet worden, und nichts weiter war von ihnen zurückgeblieben
als ihr

Weitere Kostenlose Bücher