Terror
jungen Sir James Ross (den Lady Janes Forderungen bestimmt aus seinem arktischen Ruhestand herausholen würden) zu ihm vorstieß. Wenn das eintrat, drohten ihm Schimpf und Schande.
Aber dennoch bewahrte Sir John seine Gelassenheit, vielleicht weil er genau wusste, dass sich die Admiralität in keiner Frage
schnell bewegte, auch wenn eine derart entschlossene Frau wie seine Jane den Hebel ansetzte. Sir John Barrow und die anderen Mitglieder des Arktischen Rats sowie erst recht Sir Johns offizielle Vorgesetzte bei der Royal Navy waren natürlich davon unterrichtet, dass die HMS Erebus und die HMS Terror für drei Jahre und bei Anordnung von Notrationen sogar noch für viele weitere Jahre Vorräte an Bord hatten, ganz zu schweigen von der Möglichkeit, Fisch zu fangen und Wild zu erlegen. Sir John rechnete fest damit, dass seine Frau – seine unbezähmbare Frau – im äußersten Fall eine Hilfsaktion erzwingen würde, aber die schreckliche und wunderbare Trägheit der Royal Navy trug mit großer Wahrscheinlichkeit dafür Sorge, dass eine derartige Rettungsexpedition nicht vor dem Frühjahr oder Sommer 1848 in See stach, wenn nicht noch später.
So kam es, dass Sir John Ende Mai 1847 fünf Schlittentrupps ausrüsten ließ, die sternförmig ausschwärmen sollten, um den Horizont in allen Richtungen nach offenem Wasser abzusuchen. Eines dieser Kommandos sollte sogar den Weg zurückfahren, den sie gekommen waren. Sie brachen nacheinander am 21., 23. und 24. Mai auf – zuletzt Leutnant Gores Trupp, von dem sich Sir John am meisten erhoffte und der in südöstlicher Richtung auf King-William-Land zusteuerte.
Allerdings war der Erste Leutnant Graham Gore nicht nur als Kundschafter unterwegs. Er hatte auch die wichtige Aufgabe, an der Küste Sir Johns erste Nachricht seit Beginn der Expedition zu hinterlassen.
Wenn Sir John während seines lebenslangen Dienstes bei der Royal Navy je dem Ungehorsam nahegekommen war, dann in diesem Punkt. Die Admiralität hatte ihn angewiesen, während der gesamten Dauer der Forschungsreise Steinmale zu errichten und darin Nachrichten zu hinterlegen. Sollten die Erebus und Terror nicht nach Plan jenseits der Beringstraße auftauchen, konnten die Rettungsschiffe der Royal Navy nur auf diese
Weise Aufschluss darüber erhalten, in welche Richtung Franklin gesegelt war und was die Verspätung verursacht hatte. Aber auf der Beechey-Insel hatte Sir John keine Nachricht deponiert, obwohl er fast neun Monate dafür Zeit gehabt hatte. Sein Abscheu gegen diesen ersten kalten Ankerplatz – und die Scham über den Tod von drei Besatzungsmitgliedern an Schwindsucht und Lungenentzündung – war so stark gewesen, dass er beschloss, allein die Gräber als Botschaft zu hinterlassen. Mehr war im Grunde auch nicht nötig. Und mit ein wenig Glück wurden die Grabstätten erst viele Jahre später gefunden, wenn sein Ruhm als Entdecker der Nordwestpassage schon um die ganze Welt gegangen war.
Doch inzwischen waren fast zwei Jahre seit Franklins letzter Depesche an seine Vorgesetzten verstrichen, und so diktierte er Gore eine Botschaft und legte sie in einen luftdichten Messingzylinder, von denen er zweihundert Stück auf die Fahrt mitgenommen hatte.
Eindringlich instruierte er Leutnant Gore und den Zweiten Unterleutnant Charles Des Voeux, wo sie die Nachricht hinterlegen sollten: in dem sechs Fuß hohen Steinmal auf King-William-Land, das Sir James Ross dort vor siebzehn Jahren am westlichsten Punkt seiner Forschungsreise errichtet hatte. Franklin war sich sicher, dass die Navy auf der Suche nach dem Verbleib seiner Expedition zuerst dort nachsehen würde, da dies die letzte Landmarke auf allen Karten war.
Als er am Morgen des 24. Mai, an dem Gore und Des Voeux mit ihren sechs Leuten aufbrechen sollten, in der Abgeschiedenheit seiner Kajüte den einsamen Schnörkel auf seiner Karte betrachtete, der dieses Steinmal bezeichnete, musste Sir John lächeln. Aus Respekt vor seinen Leistungen hatte Ross den westlichsten Ausläufer Victory Point und die nächsten Vorgebirge Cape Jane Franklin und Franklin Point genannt. Es war, sinnierte Sir John, während er auf die vergilbte Karte mit den schwarzen
Linien und den großen leeren Flecken westlich des sorgsam vermerkten Victory Point starrte, als hätte ihn das Schicksal oder Gott mit seinen Männern hierher geführt.
Die Botschaft, die er Gore in die Feder diktierte, war knapp und sachlich:
– Mai 1847. HMS Erebus und Terror … Überwintert im Eis in
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