Terror
70°05 ′ nördl. Br., 98°23 ′ westl. L. Davor Überwinterung 1846/47 auf Beechey-Insel in 74°43 ′ 28 ′′ nördl. Br., 90°39 ′ 15 ′′ westl. L. nach Fahrt durch Wellington-Kanal bis 77° Br. und Rückfahrt an der Westseite der Cornwallis-Insel. Kommandant der Expedition Sir John Franklin. Alle wohlauf. Gruppe von 2 Offizieren und 6 Mann verließ die Schiffe am 24. Mai 1847. Gm. Gore, Leutnant. Chas. F. Des Voeux, Unterleutnant.
Franklin trug Gore und Des Voeux auf, die Nachricht zu unterschreiben und zu datieren, bevor sie den Zylinder versiegelten und diesen in James Ross’ Steinmal legten.
Franklin war bei seinem Diktat nicht aufgefallen – und auch Leutnant Gore hatte ihn nicht verbessert –, dass er für die Überwinterung auf der Beechey-Insel ein falsches Datum angegeben hatte. Im Schutz des Eishafens dort hatten sie den ersten Winter 1845/46 verbracht; den darauffolgenden schrecklichen Winter hatten sie im offenen Packeis ausharren müssen.
Sei’s drum. Für Sir John bestand kein Zweifel, dass diese Botschaft für die Nachwelt völlig belanglos war und in naher Zukunft keinen Leser finden würde. Möglicherweise wurde sie eines Tages von einem Historiker studiert, der Franklins eigenen Bericht über die Expedition mit einer Originalquelle ergänzen wollte. Sir John trug sich nämlich bereits mit Plänen zu einem neuen Buch, durch dessen Erlös sein Privatvermögen fast an das seiner Frau heranreichen würde.
Vor dem Aufbruch von Gores Erkundungskommando wickelte
sich Sir John in dicke Kleider und stieg hinunter aufs Eis, um den Männern eine glückliche Fahrt zu wünschen. »Haben Sie alles, was Sie brauchen, meine Herren?«
Der Erste Leutnant Gore – der vierte Befehlshabende der Expedition nach Sir John, Kapitän Crozier und Commander Fitzjames – nickte, und auf den Lippen des Zweiten Unterleutnants Des Voeux erschien der Anflug eines Lächelns. Es war ein strahlend heller Tag, und die Männer trugen bereits die Drahtgestellbrillen, die Mr. Osmer, der Zahlmeister der Erebus , an sie verteilt hatte, um sie vor dem Gleißen der Sonne zu schützen.
»Ja, Sir John. Vielen Dank«, erwiderte Gore.
»Genügend Wollsachen?«
»Aye aye, Sir«, lachte Gore. »Acht Schichten gut verwebte Schafschur aus Northumberland, Sir John, neun sogar, wenn man die wollenen Unterhosen mitrechnet.«
Die fünf Mannschaftsmitglieder lachten über die Scherze der Offiziere. Sir John wusste, dass ihn die Männer ins Herz geschlossen hatten.
Er wandte sich an Charles Best. »Bereit für die Nächte auf dem Eis?«
»Aye aye, Sir John«, antwortete der kleine, stämmige Matrose. »Wir haben unsere Hollandzelte und die acht Wolfsfelldecken zum Drunterlegen und Drüberpacken. Und vierundzwanzig Schlafsäcke, Sir John, die hat der Zahlmeister aus den feinen Decken von der Hudson’s Bay Company extra für uns zusammengenäht. Wir haben es auf dem Eis bestimmt wärmer als an Bord, Mylord.«
»Schön, schön«, bemerkte Sir John abwesend. Er blickte nach Südosten, wo King-William-Land – oder die King-William-Insel, wenn man Francis Croziers kühner Theorie glauben wollte – als leichte Verdunkelung über dem Horizont wahrnehmbar war. Sir John betete aus tiefstem Herzen zu Gott, dass Gore und seine Leute vor oder nach dem Deponieren der Nachricht offenes
Wasser in der Nähe der Küste entdeckten. Sir John war bereit, eine alleräußerste Kraftanstrengung zu unternehmen, um die beiden Schiffe – auch wenn die Erebus noch so mitgenommen war – durch das nachgebende Eis zu zwingen, bis sie den Schutz der Küstengewässer und die mögliche Rettung an Land erreicht hatten. Dort fanden sie vielleicht einen ruhigen Hafen oder eine Geröllnehrung, wo die Zimmerleute und Maschinisten die Erebus so weit reparieren – die Antriebswelle geradebiegen, die Schiffsschraube austauschen, die verzogene innere Eisenverstärkung abstützen und vielleicht einige Teile der Panzerung ersetzen – konnten, dass eine Weiterfahrt möglich war. Wenn nicht – ein Gedanke, den Sir John seinen Offizieren bisher nicht mitgeteilt hatte –, blieb nur noch Croziers unerfreulicher Plan vom letzten Jahr: Sie mussten die Erebus verlassen, die Kohlenvorräte und die Mannschaft auf die Terror verlegen und in diesem überfüllten (aber auch siegreich jubilierenden, da war sich Sir John sicher) Schiff an der Küste entlang nach Westen segeln.
Im letzten Augenblick hatte ihn Goodsir, der Assistenzarzt der Erebus , gebeten, sich
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