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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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der Weg über Land – mehr als achthundert Meilen nackter Fels und Eis, Flüsse mit reißenden
Stromschnellen und scharfen Felsbrocken, an denen ihre kleinen Boote zerschellen konnten. Aus eigener Erfahrung wusste er, dass die kanadischen Flüsse mit größeren Booten nicht befahrbar waren. Und zuletzt durfte man auch die einheimischen Eskimos nicht vergessen, die meistens feindselig gestimmt waren und sich selbst dann, wenn sie sich freundlich gaben, als diebische Lügner erwiesen.
    Sir John starrte Gore, Des Voeux, Goodsir und den fünf Seeleuten nach, bis sie mit ihrem Schlitten im hell strahlenden Eis verschwanden. Phlegmatisch überlegte er, ob er nicht doch Hunde auf diese Reise hätte mitnehmen sollen.
    Die Vorstellung, bei Arktisexpeditionen Hunde an Bord zu nehmen, hatte Sir John nie behagt. Manchmal waren die Tiere gut für die Moral der Männer – zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem man sie erschießen und essen musste. Doch letzten Endes waren es doch nur schmutzige, laute und unberechenbare Geschöpfe. Das Deck eines Schiffes, das Hunde in ausreichender Zahl mit sich führte, um sie gegebenenfalls vor Schlitten spannen zu können, wie es die Grönlandeskimos taten, war ein Deck voll von unaufhörlichem Gebell, engen Zwingern und unerträglichem Gestank nach Exkrementen.
    Mit leisem Lächeln schüttelte er den Kopf. Sie hatten nur einen einzigen Hund auf diese Fahrt mitgenommen – einen Köter namens Neptune – und dazu noch den kleinen Affen Jocko. Und das reichte durchaus als Menagerie für ihre kleine Arche.
    In der Woche nach Gores Aufbruch schien die Zeit zu kriechen. Einer nach dem anderen trafen die anderen Schlittentrupps ein. Nachdem sie ihre Schlitten über zahllose Hügel und Kämme gezerrt hatten, waren die Männer erschöpft und durchfroren, ihre Wollgewänder schweißgetränkt. Und alle hatten das Gleiche zu berichten.
    Im Osten in Richtung der Boothia-Halbinsel – kein offenes Wasser. Nicht die schmalste Rinne.

    Im Nordosten in Richtung der Prince-of-Wales-Insel und ihres bisherigen Wegs hinein in diese Eiswüste – kein offenes Wasser. Nicht einmal die Spur von dunklem Himmel draußen am Horizont, die manchmal auf offenes Wasser hindeutete. In acht Tagen äußerster Anstrengungen war es den Männern nicht gelungen, mit ihrem Schlitten die Prince-of-Wales-Insel zu erreichen oder auch nur einen Blick auf sie zu erhaschen. Auf ihrem Weg hatten sich mehr Eisberge und Pressrücken aufgetürmt, als sie je zu Gesicht bekommen hatten.
    Im Nordwesten in Richtung der namenlosen Meeresstraße, durch die sich der Eisstrom um die Westküste und die Südspitze der Prince-of-Wales-Insel zu ihnen herabschob – nichts außer Eisbären und gefrorene See.
    Im Südwesten in Richtung der vermuteten Landmasse Victoria-Land und der theoretisch vorhandenen Passage zwischen den Inseln und dem Festland – kein offenes Wasser, keine Tiere mit Ausnahme der vermaledeiten weißen Bären, Hunderte von Pressrücken und so viele festgefrorene Eisberge, dass Leutnant Little – der Offizier der HMS Terror , dem Franklin das Kommando über den aus Besatzungsmitgliedern dieses Schiffs zusammengesetzten Schlittentrupp übertragen hatte – von einer Bergkette aus Eis sprach, durch die sie sich nach Westen vorangekämpft hatten, ohne je den Ozean zu sehen. Auf dem letzten Teil der Reise war das Wetter so schlecht gewesen, dass drei der acht Männer ernste Erfrierungen an den Zehen davongetragen hatten und alle mehr oder minder schneeblind waren. Little selbst war die letzten fünf Tage vollkommen blind gewesen und hatte an schrecklichen Kopfschmerzen gelitten. Der Leutnant, der nach Sir Johns Kenntnis ein polerfahrener Mann war und schon vor acht Jahren mit Crozier und James Ross in den äußersten Süden gesegelt war, musste auf dem Schlitten liegend von den wenigen Männern gezogen werden, die ihre Sehkraft noch nicht gänzlich verloren hatten.

    Kein offenes Wasser also auf einer Strecke von rund fünfundzwanzig Meilen, die sie erkundet hatten – fünfundzwanzig Meilen Luftlinie, für die sie bestimmt hundert Meilen um und über Hindernisse marschiert waren. Keine Polarfüchse, Hasen, Rentiere, Walrosse und Robben. Natürlich auch keine Wale. Die Männer waren darauf vorbereitet gewesen, dass sie auf der Suche nach offenem Wasser ihre Schlitten um Spalten und schmale Rinnen herummanövrieren mussten, aber die See, so berichtete Little, dem die sonnenverbrannte Haut unter und über dem weißen

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