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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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zu erleichtern. Sir John ging rasch noch unter Deck, um sich sein Zeremonienschwert umzuhängen. Nachdem er die Kaltwetterplünnen über Uniform, Orden und Schwert gezogen hatte, stieg er wieder hinauf und ließ sich schnaufend und ächzend von seinem Steward den Hang hinunterhelfen, um die Gruppe zu begrüßen.

10
Goodsir
    69°37′42′′ NÖRDLICHE BREITE | 98°41′ WESTLICHE LÄNGE
KING-WILLIAM-LAND, 24. MAI 1847
     
     
     
    W enn Dr. Harry D. S. Goodsir darauf gedrungen hatte, sich dieser Erkundungsfahrt anzuschließen, dann unter anderem auch, um zu beweisen, dass er genauso stark und tüchtig war wie die anderen Besatzungsmitglieder. Er stellte bald fest, dass das ein Irrtum war.
    Obwohl Leutnant Gore und Unterleutnant Des Voeux schweigend ihre Missbilligung zum Ausdruck brachten, ließ er es sich am ersten Tag nicht nehmen, sich in die Gruppe der Schlittenzieher einzureihen, so dass sich einer der fünf dafür vorgesehenen Männer im Gehen ein wenig ausruhen konnte.
    Um ein Haar hätte er es nicht geschafft. Das von den Segelmachern und Zahlmeistern angefertigte Leder- und Baumwollgeschirr, das von den Seeleuten mit einem für Goodsir völlig undurchschaubaren Knoten blitzschnell an den Zugtauen befestigt und wieder gelöst werden konnte, war zu groß für seine schmalen Schultern und seine eingesunkene Brust. Der vordere Riemen rutschte ab, obwohl er ihn sich so eng wie möglich um den Leib schnallte. Und auch er selbst rutschte auf dem Eis, stürzte zu wiederholten Malen hin und brachte dadurch die anderen aus ihrem gleichmäßigen Ziehen, Halten, Pusten und
Ziehen. Dr. Goodsir hatte noch nie Eisstiefel getragen, und die Nägel in den Sohlen brachten ihn fortwährend zum Stolpern.
    Es fiel ihm schwer, durch die klobige Drahtbrille etwas zu erkennen, aber wenn er sie sich auf die Stirn schob, ließ ihn das grelle Licht der arktischen Sonne auf dem Eis binnen weniger Minuten halb erblinden. Er hatte zu viele Schichten angezogen, von denen jetzt einige so schweißgetränkt waren, dass er am ganzen Leib zitterte, obwohl er durch die ungewöhnliche Anstrengung stark erhitzt war. Das Geschirr drückte auf etliche Nerven und schnitt die Blutzirkulation zu seinen dünnen Armen und den kalten Händen ab. Immer wieder entglitten ihm die Fäustlinge. Sein Keuchen und Schnaufen wurde so laut und heftig, dass er sich schämte.
    Bobby Ferrier, Tommy Hartnell, John Morfin und der Gefreite Bill Pilkington waren die anderen, die im Geschirr lagen. Sie hielten öfter inne, um ihm den Schnee vom Anorak zu klopfen, und sahen sich an, ohne jedoch ein Wort darüber zu verlieren, dass er einfach nie den Rhythmus im Gespann mit den anderen fand. Nach einer Stunde, in der er sich bis auf die Knochen blamierte, nahm er schließlich Charles Bests Angebot an, ihn abzulösen. Er schlüpfte aus dem Geschirr und überließ es den wahren Männern, den schweren, hochbepackten Schlitten voranzuschleppen, auf Holzkufen, die ständig am Eis festfrieren wollten.
    Goodsir war vollkommen erschöpft. DerVormittag des ersten Tages auf dem Eis war noch nicht vorüber, und er war bereits so müde von der einen Stunde im Zuggeschirr, dass er am liebsten seinen Schlafsack ausgebreitet, sich in eine der Wolfsfelldecken gewickelt und bis zum nächsten Tag durchgeschlafen hätte.
    Und das, noch bevor sie den ersten größeren Pressrücken erreichten.
    Die Hügel südöstlich der Erebus waren die niedrigsten, die auf den ersten zwei Meilen in Sicht kamen, fast als hätte das eingeschlossene
Schiff das Eis auf seiner Leeseite glatter geschliffen und die Erhöhungen weiter zurückgedrängt. Doch ab dem späten Nachmittag stellten sich ihnen die eigentlichen Pressrücken in den Weg. Diese erhoben sich viel höher als jene, die sich im Verlauf des Winters zwischen den Schiffen aufgetürmt hatten. Offenbar war der Druck unter dem Eis in der Nähe von King-William-Land noch viel gewaltiger.
    Bei den ersten drei Kämmen führte Gore sie nach Südwesten, um niedrigere Stellen zu finden, Senken, über die sie ohne größere Schwierigkeiten klettern konnten. So kamen zwar viele Meilen und Stunden zu ihrem Marsch hinzu, aber das war immer noch einfacher, als den Schlitten abzuladen. Der vierte Rücken schließlich ließ sich nicht umgehen.
    Nach jeder Unterbrechung, die länger als wenige Minuten dauerte, musste einer der Männer – meistens der junge Hartnell  – eine der vielen Flaschen Holzgeist aus der sorgfältig festgezurrten Ausrüstung ziehen und

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