Terror

ausgedrückt. Aber an diesem der Witterung so stark ausgesetzten Punkt der Insel waren auch die Eishaufen oft mindestens sechs Fuß hoch, und der starke Wind hatte die kleineren Decksteine des Mals schon lange heruntergerissen. Obwohl sich der Himmel nie ganz zur Nacht verdunkelte, machte der trübe Schimmer es sehr schwer, Gegenstände in ihrer Räumlichkeit wahrzunehmen und Entfernungen abzuschätzen. Gut zu erkennen waren lediglich die Bären, allerdings auch nur, weil sie sich bewegten. Schon den ganzen Tag war ihnen ein halbes Dutzend der hungrigen, neugierigen Tiere gefolgt. Abgesehen von diesem gelegentlichen unbeholfenen Tapsen hinter ihnen verlor sich alles in einem grauweißen Schleier. Eine Eiszinne, die eine halbe Meile vor ihnen fünfzig Fuß hoch aufzuragen schien, war in Wirklichkeit nur zehn Faden entfernt und zwei Fuß klein. Ein kahler Flecken aus Kies und Stein, den sie keine hundert Schritt weit wähnten, befand sich tatsächlich eine Meile draußen auf der einsamen, kargen Inselspitze.
    Doch um kurz vor zehn Uhr nach Goodsirs immer noch tickender Uhr stießen sie schließlich auf das Steinmal. Alle Männer waren so erschöpft, dass ihre Arme fast bis zum Boden hinunterbaumelten und sie kein Wort mehr hervorbrachten. Den Schlitten hatten sie eine halbe Meile von der Stelle entfernt stehen lassen, wo sie die Küste erreicht hatten.
    Gore zog eine der beiden Nachrichten heraus – er hatte eine Abschrift der ersten angefertigt, um sie nach Sir Johns Anweisungen auch an einem südlicheren Punkt zu hinterlassen –, setzte das Datum ein und unterschrieb. Der Zweite Unterleutnant Charles Des Voeux folgte seinem Beispiel. Dann steckten sie die zusammengerollte Botschaft in einen der luftdichten Messingzylinder, die sie mitgenommen hatten. Nachdem sie diesen in das leere
Mal geworfen hatten, legten sie die oberen Steine wieder so hin, wie sie sie vorgefunden hatten.
    »Na schön«, erklärte Gore. »Das hätten wir.«
    Nicht lange nachdem sie zum Schlitten zurückgestapft waren, um ein mitternächtliches Abendessen zu sich zu nehmen, brach das Gewitter los.
    Um die Last beim Übersteigen des Eisbergs zu verringern, hatten sie die schweren Wolfsfelldecken, die Bodenplanen und den größten Teil der Lebensmittelkonserven draußen auf dem Eis gelassen. Sie gingen davon aus, dass die verlöteten Büchsen die Eisbären nicht anlocken würden, die überall witternd herumschlichen, und selbst wenn, waren sie nicht in der Lage, die Dosen zu öffnen. Sie hatten sich ausgerechnet, hier an Land mit zwei verminderten Tagesrationen auszukommen und dazu vielleicht noch irgendwelches Wild zu erlegen, das ihnen über den Weg lief – dieser Traum hatte sich allerdings angesichts des trostlosen Landstrichs rasch in Luft aufgelöst. Alle sollten im Hollandzelt schlafen.
    Des Voeux zog das patentierte Kochgeschirr aus den sinnreich ineinandergestellten Weidenkörben, um sich an die Zubereitung des Abendessens zu machen. Aber drei der vier Büchsen, die sie für die erste Mahlzeit an Land ausgesucht hatten, waren verdorben. Damit blieben nur noch die halbe Ration gesalzenes Schweinefleisch – das Lieblingsgericht der Seeleute, weil es so fettreich war, aber bei weitem nicht genug, um nach einem solchen Tag ihren Hunger zu stillen – und die einzige gute Büchse mit dem Aufdruck »Feine klare Schildkrötensuppe«, die bei den Männern verhasst war, weil sie aus Erfahrung wussten, dass das Zeug weder fein noch klar und sehr wahrscheinlich auch nicht mit Schildkrötenfleisch gekocht war.
    Seit Torringtons Tod auf der Beechey-Insel vor eineinhalb Jahren war Dr. MacDonald auf der Terror besessen von der Sorge um die Qualität der Nahrungsmittelkonserven. Mit Hilfe der anderen
Ärzte experimentierte er pausenlos, um die beste Kost zur Vermeidung von Skorbut zu finden. Von seinem älteren Kollegen hatte Goodsir erfahren, dass der Lebensmittelhersteller der Expedition, ein gewisser Stephan Goldner aus Houndsditch, der den Auftrag dank seines außergewöhnlich niedrigen Angebots erhalten hatte, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Regierung Ihrer Majestät und die Royal Navy durch die Lieferung unzulänglicher – möglicherweise sogar giftiger – Waren betrogen hatte.
    Als die Männer jetzt erfuhren, dass die Büchsen mit fauligem Zeug gefüllt waren, hallten wüste Beschimpfungen durch die eisige Luft.
    Leutnant Gore ließ der Kanonade ausgewählter Seemannsflüche eine oder zwei Minuten lang ihren Lauf,