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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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aufkeimendes Gefühl von Hoffnung wie schon seit Monaten nicht mehr.
    »Nein, Sir«, erwidert Irving. »Eigentlich ist es nur … ein Körper. Er hat achtern am Schanzkleid gelehnt, und da hat ihn jemand gesehen, als die Suchtrupps zurückgekommen sind. Das war ungefähr vor eineinhalb Stunden. Die wachhabenden Posten haben nichts bemerkt. Aber er war da, Sir. Auf Leutnant Littles Befehl haben Shanks und ich uns auf den Weg hierher gemacht, um Ihnen Bericht zu erstatten. Wir haben uns wirklich sehr beeilt.«
    »Wer er?«, faucht Crozier. »Ein Körper? Wieder an Bord?« Der Kapitän der Terror versteht kein Wort. »Ich dachte, Strong und Evans sind beide wieder da.«
    Leutnand Irvings Gesicht ist jetzt totenbleich. »So ist es, Kapitän. Zumindest die Hälfte. Als wir nach achtern gegangen
sind, um uns den Körper anzuschauen, ist er zur Seite gesunken und … irgendwie … auseinandergefallen. Soweit wir das erkennen können, ist es von der Hüfte aufwärts Billy Strong. Und Tommy Evans von der Hüfte abwärts.«
    Crozier und Fitzjames blicken sich sprachlos an.

12
Goodsir
    69°37′42′′ NÖRDLICHE BREITE | 98°41′ WESTLICHE LÄNGE
KING-WILLIAM-LAND, 28. MAI 1847
     
     
     
    N ach fünf Tagen dieser mühseligen Reise übers Eis erreichte Leutnant Gores Erkundungstrupp am 28. Mai spätabends Sir James Ross’ Steinmal auf King-William-Land.
    Als sie sich der Landmasse näherten, die erst in den letzten Minuten sichtbar wurde, fanden sie zu ihrer Freude Pfützen mit salzfreiem Trinkwasser. Das Unangenehme daran war nur, dass die meisten dieser Lachen Auswaschungen einer fast ununterbrochenen Kette von Eisbergen waren – einige von ihnen über hundert Fuß hoch –, die in die Untiefen gespült worden waren und sich jetzt wie eine weiße Festung an der gesamten Küstenlinie entlangzogen. Die Männer brauchten einen ganzen Tag, um dieses Hindernis zu überwinden, und selbst das gelang nur um den Preis, dass sie einiges an Kleidern, Spiritus und Proviant auf dem Meereis zurückließen, um den Schlitten leichter zu machen. Verschärft wurde ihre missliche Situation durch den Umstand, dass mehrere Büchsen Suppe und Schweinefleisch, die sie geöffnet hatten, verdorben waren und weggeworfen werden mussten. So blieben ihnen für die Rückkehr nur noch fünf Tagesrationen, vorausgesetzt, dass nicht noch mehr Konserven schlecht waren. Darüber hinaus mussten sie feststellen, dass das
Eis selbst hier an der Küstenlinie immer noch sieben Fuß dick war.
    Für Goodsir erwies sich King-William-Land – oder die King-William-Insel, wie sie später erfuhren – als die größte Enttäuschung seines Lebens.
    Die Inseln Devon und Beechey im Norden waren selbst zu besten Zeiten unwirtliche und windgepeitschte Orte, auf denen kaum etwas anderes gedieh als Flechten und niedrige Büsche. Doch sie waren ein wahrer Garten Eden im Vergleich zu dem, was die Männer auf King-William-Land vorfanden. Die Beechey-Insel hatte wenigstens noch nackten Boden aufzuweisen, ein wenig Sand und Erde, eindrucksvolle Klippen und eine Art von Strand. Auf King-William-Land gab es nichts von alldem.
    Noch eine halbe Stunde nachdem sie die Eisbergbarriere hinter sich gelassen hatten, wusste Goodsir nicht, ob er Land unter den Füßen hatte oder nicht. Er hatte sich schon darauf vorbereitet, zusammen mit den anderen zu feiern, denn es war das erste Mal seit über einem Jahr, dass einer von ihnen seinen Fuß auf festen Boden setzte. Doch jenseits der Eisberge wich das gefrorene Meer dem Küstenfesteis, das sich in großen Haufen auftürmte, und es war nicht zu erkennen, wo das Eis aufhörte und die Küste begann. So weit das Auge reichte, nichts als Eis und Schnee, Schnee und Eis.
    Schließlich erreichten sie eine Stelle ohne Schnee, über die der Wind hinwegpfiff. Goodsir und einige der anderen ließen alles stehen und fallen und sanken wie in einem Dankesritual auf Hände und Knie. Doch auch die kleinen runden Kiesel waren durch und durch gefroren, fest wie Londoner Pflastersteine im Winter und zehnmal so eisig, und diese Kälte kroch ihnen durch die Fäustlinge in die Finger und Hände, durch die Hosen und die anderen Schichten über ihren Knien in die Knochen, wie eine stumme Einladung zu den gefrorenen Höllenkreisen der Toten tief unter ihnen.

    Erst nach vier Stunden stießen sie auf Ross’ Mal. Ein sechs Fuß hoher Steinhaufen am oder nahe dem Victory Point konnte schließlich nicht so schwer zu finden sein – so hatte es Leutnant Gore

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