Terror
gehen.
»Aber alle anderen Männer müssen wir aufs Schiff zurückrufen«, ergänzte Unterleutnant Edward Couch. »Wenn da draußen auf dem Eis ständig Leute herumpoltern und zusammen mit den
Wachposten auf jede Eisnadel und Windbö feuern, dann wird sich in fünf Meilen Umkreis kein gestandener Bär blicken lassen, Sir.«
Sir John nickte. »Und womit wollen Sie unseren Bären zur Falle locken, meine Herren? Haben Sie auch an den Köder gedacht?«
»Ja, Sir.« Sergeant Bryant lächelte. »Mit frischem Fleisch kann man diese Mörderbestien kirren.«
»Aber wir haben kein frisches Fleisch. Nicht einmal eine Ringelrobbe.«
»Stimmt, Sir«, entgegnete der Seesoldat. »Aber wir haben das Bärenjunge. Wenn die Falle gebaut und aufgestellt ist, schlachten wir das kleine Vieh und lassen dabei reichlich Blut spritzen, Sir. Den Kadaver legen wir ungefähr zehn Faden vor unserer Schussposition aus.«
»Sie halten unseren Bären also für einen Kannibalen?«
»Natürlich, Sir.« Sergeant Tozers Gesicht lief unter dem violetten Muttermal rot an. »Wir glauben, diese Bestie frisst alles, was blutet und nach Fleisch riecht. Und wenn es so weit ist, werden wir ihm das Blei in die Rippen jagen, dass es nur so staubt, Sir. Und dann heißt es zehn Sovereigns pro Mann und danach Winter und Triumph und Heimfahrt.«
Sir John nickte bedächtig. »Nun gut, setzen Sie Ihren Plan in die Tat um.«
Am Freitagnachmittag, den 11. Juni, machte sich Sir John mit Leuntnant Le Vesconte auf den Weg, um die Bärenfalle zu begutachten.
Die beiden Offiziere mussten zugeben, dass der Hinterhalt selbst aus dreißig Fuß Entfernung praktisch unsichtbar war, so unauffällig waren der Boden und die Rückwand an den niedrigen Eiskamm geschmiegt, wo Sir John die Totenrede auf Leutnant Gore gehalten hatte. Die weißen Segel verschmolzen
nahezu mit der Umgebung, und an der waagrechten Schießscharte hingen in unregelmäßigen Abständen Fetzen, um die einförmige Linie zu unterbrechen. Der Segelmacher und der Schmied hatten die Leinwand so geschickt an den Eisenstangen und -streben befestigt, dass selbst im auffrischenden Wind, der den Schnee über das offene Eis peitschte, nicht das geringste Flattern zu bemerken war.
Le Vesconte führte Sir John über den vereisten Pfad hinter den Pressrücken, dann über die niedrige Eiswand und schließlich durch einen Schlitz von hinten ins Zelt. Dort saßen Sergeant Bryant und die Seesoldaten der Erebus , Korporal Pearson sowie die Gefreiten Healey, Reed, Hopcraft und Pilkington. Als der Expeditionskommandant eintrat, trafen die Männer Anstalten, sich zu erheben.
»Nein, nein, meine Herren, bitte behalten Sie Platz«, flüsterte Sir John. An den Stützbalken zu beiden Seiten des langen, schmalen Zelts waren Holzplanken in hohen Eisenbügeln aufgehängt, so dass die Seesoldaten auf Schusshöhe sitzen konnten, wenn sie nicht an der engen Schießscharte standen. Mit einer weiteren Bretterschicht war dafür gesorgt worden, dass ihre Füße nicht mit dem Eis in Berührung kamen. Die Büchsen lehnten einsatzbereit vor ihnen. In dem überfüllten Zelt roch es nach frischem Holz, feuchter Wolle und Waffenöl.
»Wie lang warten Sie schon?«, wisperte Sir John aufgeregt.
»Noch nicht ganz fünf Stunden, Sir John«, gab Sergeant Bryant ebenso leise zurück.
»Sie müssen doch frieren.«
»Überhaupt nicht, Sir. Das Zelt ist groß genug, dass wir von Zeit zu Zeit auf und ab laufen können, und dank der Bretter werden unsere Füße nicht kalt. Die Seesoldaten der Terror unter Leitung von Sergeant Tozer lösen uns um zwei Glasen ab.«
»Haben Sie schon etwas gesehen?«, fragte Leutnant Le Vesconte.
»Nein, noch nicht, Sir«, erwiderte Bryant. Der Sergeant und die beiden Offiziere beugten sich vor, bis ihre Gesichter im kalten Luftzug der Schießscharte hingen.
Sir John erspähte den Kadaver des Bärenjungen, dessen Muskeln sich erschreckend rot vom Eis abhoben. Sie hatten das Tier bis auf den kleinen weißen Kopf vollkommen gehäutet, es ausbluten lassen, das Blut in Eimern aufgefangen und es überall um die Leiche verschüttet. Der Wind blies Schnee über die weite Eisfläche, und das rote Blut wirkte fast schmerzhaft grell vor dem Weiß, Grau und Hellblau der Umgebung.
»Wir müssen erst noch sehen, ob unser Feind wirklich ein Kannibale ist«, flüsterte Sir John.
»Aye aye, Sir«, antwortete Sergeant Bryant. »Möchten Sie sich zu uns auf die Bank setzen, Sir John? Es ist genügend Platz.«
Es war
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