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Terrorist

Terrorist

Titel: Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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die meisten Amerikaner verstehen ihn. Ursprünglich war damit das Abbrechen eines militärischen Lagers gemeint.»
    «Miller verwendet es, glaube ich, im Zusammenhang mit einer Ehefrau, die ihn verlassen hat.»
    «Ja. Kein Wunder. Dass sie ihr Lager abgebrochen hat, meine ich. Miller wird wohl kein einfacher Ehemann gewesen sein.» Diese schlüpfrigen Dreier mit der Ehefrau in Sexus. Setzten sie im Fachbereich Englisch jetzt etwa Sexus auf die Leselisten? Gibt es nichts mehr, was man erst als Erwachsener erfährt?
    Der junge Mann schweift von den etwas abseitigen Bemerkungen seines Beraters auf überraschende Weise ab.
    «Meine Mutter sagt, ich könne keine Erinnerungen an meinen Vater haben, aber ich erinnere mich doch an ihn.»
    «Nun ja, Sie waren drei. Entwicklungspsychologisch gesehen, könnten Sie da schon noch ein paar Erinnerungen haben.» Das ist nicht die Richtung, in die Jack Levy das Gespräch hatte lenken wollen.
    «Ein warmer, dunkler Schatten», sagt Ahmed und beugt sich mit einem Ruck vor, so ernst ist es ihm. «Sehr weiße, quadratische Zähne. Ein kleiner, gepflegter Schnurrbart. Ich achte selbst auf ein gepflegtes Äußeres, das habe ich bestimmt von ihm. Unter anderem erinnere ich mich auch an einen süßlichen Geruch, von einem Rasierwasser vielleicht, jedoch mit dem Hauch eines Gewürzes darin, vielleicht von einem orientalischen Gericht, dass er gerade zu sich genommen hatte. Er war dunkel, dunkler als ich, aber elegant und schmal. Er trug den Scheitel fast in der Mitte.»
    Diese intensive Abschweifung bereitet Levy Unbehagen. Der Junge setzt sie ein, um etwas zu überdecken - aber was? Um ihn zu ernüchtern, sagt Jack: «Vielleicht haben Sie eine Fotografie mit einer Erinnerung verwechselt.»
    «Ich habe nur zwei, drei Fotografien. Meine Mutter hat vielleicht noch einige mehr, aber sie versteckt sie vor mir. Als ich noch klein und unschuldig war, hat sie sich immer geweigert, auf meine vielen Fragen nach meinem Vater zu antworten. Ich glaube, sein Verschwinden hat viel Wut in ihr aufgestaut. Eines Tages möchte ich ihn gern finden. Nicht irgendweicher Ansprüche oder Schuldzuweisungen wegen, sondern um einfach mit ihm zu reden, so wie zwei Muslime miteinander sprechen.»
    «Nun, Mr. –? Wie möchten Sie gern angeredet werden? Mr. Multoy oder» – Jack blickt erneut auf die Mappe – «Ashmawy?»
    «Meine Mutter hat mir ihren Namen beigegeben, er steht auf meiner Sozialversicherungskarte, meinem Führerschein und an ihrer Wohnung, wo ich zu erreichen bin. Wenn ich aber die Schule hinter mir habe und unabhängig bin, werde ich Ahmed Ashmawy sein.»
    Levy hält den Blick auf die Mappe gesenkt. «Und wie haben Sie vor, sich diese Unabhängigkeit zu ermöglichen? In Geschichte, Englisch und so fort hatten Sie gute Noten, Mr. Mulloy, aber wie ich sehe, sind Sie im letzten Jahr zum berufsvorbereitenden Zweig übergewechselt. Wer hat Ihnen dazu geraten?»
    Der junge Mann senkt nun seinerseits den Blick – lange Wimpern verdecken das feierliche schwarze Leuchten seiner Augen – und reibt sich am Ohr, als säße da eine Mücke. «Mein Lehrer», sagt er.
    «Welcher Lehrer? Ein solcher Kurswechsel hätte mit mir besprochen werden sollen. Wir hätten darüber sprechen können, Sie und ich, auch wenn wir nicht beide Muslime sind.»
    «Mein Lehrer ist nicht hier. Er ist an der Moschee. Scheich Rashid, der Imam. Wir studieren zusammen den heiligen Koran.»
    Levy versucht, sein Missfallen nicht zu zeigen, und sagt: «So. Weiß ich eigentlich, wo sich die Moschee befindet? Ich fürchte, nein, es sei denn, es handelt sich um die riesige an der Tilden Avenue, die von den Black Muslims nach den Aufruhren der sechziger Jahre eingerichtet wurde. Meinen Sie die?» Er klingt borstig, und das will er nicht. Es war nicht dieser Junge hier, der ihn um vier Uhr geweckt, ihm das Gehirn mit Gedanken an den Tod verschmutzt oder Beth so erdrückend fett gemacht hat.
    «An der West Main Street, Sir, etwa sechs Querstraßen südlich vom Linden Boulevard.»
    «Den sie im vergangenen Jahr in Reagan Boulevard umbenannt haben», sagt Levy und verzerrt missbilligend den Mund.
    Der Junge fängt den Ball nicht auf. Für diese Teenager ist Politik ein Randgefilde des Star-Himmels. Sie halten Kennedy für den zweitbesten Präsidenten nach Lincoln, weil er Star-Qualitäten besaß und weil sie von den übrigen ohnehin keinen kennen, nicht einmal Ford und Carter, allenfalls Clinton und die Bushs, falls sie die auseinander halten

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