Terrorist
verspürt den Drang, sich vor diesem unglücklichen Juden zu rechtfertigen. Von Mr. Levy geht der Geruch von Unglück aus wie manchmal von Ahmeds Mutter, nachdem ein Freund sie sitzen gelassen hat, wenn det nächste noch nicht in Sicht ist und wenn sie seit Monaten keines ihrer Bilder verkauft hat. «Mein Lehrer kennt Leute, die einen Fahrer brauchen. Da hätte ich auch jemanden, der mir die Tricks beibringt.» Und er setzt hinzu: «Der Lohn ist gut.»
«Und die Arbeitszeit lang», sagt der Berater und klappt die Akte dieses Schülers zu, nachdem er auf das dafür vorgesehene Blatt «AF» und «KF» gekritzelt hat, seine Kürzel für «aussichtsloser Fall» und «keine Fortbildung». «Sagen Sie mir noch eins, Mulloy. Ihr Glaube – ist Ihnen doch wichtig?»
«Ja.»
Der Junge beschützt etwas; Jack wittert es.
«Gott – Allah – ist für Sie sehr real.»
Langsam, wie in Trance oder als rezitiere er etwas auswendig Gelerntes, sagt Ahmed: «Er ist in mir und an meiner Seite.»
«Gut. Gut. Freut mich zu hören. Weiter so. Ich bin ein wenig mit religiösen Dingen in Berührung gekommen, meine Mutter hat immer die Chanukkakerzen angezündet, aber ich hatte einen Spötter zum Vater, also bin ich seinem Beispiel gefolgt und habe die Religion nicht beibehalten. Zu verlieren hatte ich da eigentlich nichts, weil ich es mir nie wirklich angeeignet hatte. Staub zu Staub – darin ist für mich schon alles enthalten. Tut mir leid.»
Der Junge blinzelt und nickt, ein wenig erschrocken über ein solches Geständnis. Seine Augen wirken über dem grcllweißen Hemd wie runde, schwarze Strahlenquellen; sie brennen sich in Levys Gedächtnis ein und tauchen gelegentlich wieder vor ihm auf wie Nachbilder der Sonne beim Sonnenuntergang oder wie der unerwartet schnell kommende Blitz einer Kamera, wenn man sich gerade artig in Pose setzt, um ganz natürlich zu wirken.
Levy lässt nicht locker: «Wie alt waren Sie, als Sie … als Sie zu Ihrem Glauben gefunden haben?»
«Elf Jahre, Sir.»
«Komisch – genau in dem Alter habe ich erklärt, ich gebe die Geige auf. Alle waren sie dagegen. Ich habe mich durchgesetzt. Zum Teufel mit ihnen allen.» Der Junge starrt ihn weiter an, verweigert die Gemeinsamkeiten. Levy gibt sich geschlagen. «Okay. Ich möchte über Sie noch ein bisschen nachdenken. Könnte sein, dass ich Sie noch einmal sehen möchte, um Ihnen ein paar wichtige Unterlagen zu geben, bevor Sie Ihren Abschluss haben.» Er steht auf und schüttelt spontan die zerbrechlich wirkende Hand des großen, schlanken Jungen, was er am Ende einer Beratung nicht bei jedem Schüler tut und bei einem Mädchen heutzutage niemals tun würde – die geringste Berührung kann eine Beschwerde nach sich ziehen. Ein paar von diesen heißen kleinen Gören bilden sich schnell etwas ein. Die Hand, die Jack hält, ist bestürzend schlaff und feucht: Also doch noch ein schüchterner Junge, noch kein Mann. «Falls wir uns aber nicht mehr sehen, Ahmed», sagt der Berater abschließend, «wünsche ich Ihnen ein wundervolles Leben.»
Am Sonntagmorgen, während die meisten Amerikaner noch im Bett liegen, wenngleich einige auch widerstrebend zur Frühmesse oder zu einer verabredeten Partie Golf vor Tau und Tag aufbrechen, erhöht der Minister für Heimatschutz die so genannte «Terrorbedrohungsstufe» von Gelb, was lediglich «erhöht» bedeutet, auf «Orange», was für «hoch» steht. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht ist, dass die erhöhte Stufe nur für bestimmte Bereiche von Washington, New York und den Norden von New Jersey gilt; für die übrige Nation bleibt es bei Gelb.
Mit seinem kaum noch merklichen pennsylvanischen Akzent erklärt der Vlinister der Nation, jüngste Geheimdienstberichte wiesen in, wie er es formuliert, «beunruhigend spezifischen und übereinstimmenden Einzelheiten» daraufhin, dass ein Angriff auf sensible Ziele in ebenjenen Ballungszonen der Ostküste geplant sei, die von den «Feinden der Freiheit mit den fortschrittlichsten Observationsverfahren ausgekundschaftet worden seien. Finanzzentren, Sportarenen, Brücken, Tunnel, Untergrundbahnen – nichts ist sicher. «Sie sollten damit rechnen», teilt er der Linse der Fernsehkamera mit, die einem blaugrauen Bullauge gleicht, auf dessen anderer Seite sich ein Meer von vertrauensvollen, bangen Bürgern staut, «auf spezielle Pufferzonen zu stoßen, mit denen die Umgebung von Gebäuden gegen nicht zufahrtsberechtigte Fahrzeuge und Lastwagen gesichert wird;
Weitere Kostenlose Bücher