Terrorist
worden war, regte sich von neuem, als Afroamerikaner und Latinos, die – so die oft zu hörende Klage – «nicht einmal die Sprache richtig beherrschen», Vollmacht erhielten, zu durchsuchen, zu befragen, aufzuhalten, den Zugang zu Flugzeugen und die Erlaubnis zum Abflug zu gewähren oder zu verweigern. In einem Land, in dem sich die Anzahl der Sicherheitstore vervielfachte, nahm auch die Anzahl der Torhüter um ein Vielfaches zu. Den gut bezahlten Offiziellen, die auf dem Luftweg reisen und die neuerdings zu Festungen gewordenen Regierungsgebäude frequentieren, kam es vor, als hätte eine trübe Unterschicht tyrannische Machtbefugnisse erhalten. Wohlsituierte Menschen, die sich noch ein Jahrzehnt zuvor auf den Routen der Privilegierten unbehelligt bewegt und allenthalben Einlass gefunden hatten, werden nun bei jedem Schritt, wie es ihnen scheint, an Barrieren aufgehalten, wo aufreizend bedächtige Wachen grübelnd auf Führerscheine und Bordkarten blicken. Wo einst ein selbstsicheres Auftreten, ein korrekter Anzug mit Krawatte und eine Visitenkarte von fünfmal neun Zentimetern als Türöffner genügt hatten, schnappt der Riegel jetzt nicht mehr auf; die Tür bleibt zu. Wie kann der bewegliche, hydraulisch reagierende Kapitalismus, geschweige denn der intellektuelle Austausch und das Beziehungsgeflecht von ausgedehnten Familien, im Dickicht so unbeugsamer Vorsichtsmaßnahmen noch funktionieren? Der Feind hat sein Ziel erreicht: Das Geschäftsleben wie die Erholung sind in der westlichen Welt zu enorm zähflüssigen Angelegenheiten geworden.
«Es ist sehr gut gelaufen, fand ich, wie meistens», antwortet Hermione Fogel auf eine Frage, die der Minister schon fast vergessen hat. Er ist beschäftigt: Der Konflikt zwischen den Forderungen nach Annehmlichkeiten und Privatsphäre einerseits und Sicherheit andererseits ist sein täglich’ Brot, und doch wird er dafür so gut wie gar nicht mit öffentlicher Bewunderung entlohnt und in finanzieller Hinsicht ausgesprochen bescheiden, obwohl er Kinder hat, die sich dem Alter nähern, in dem eine College-Ausbildung fällig wird, und eine Frau, die im unermüdlichen gesellschaftlichen Leben des republikanischen Washington mithalten muss. Mit Ausnahme einer alleinstehenden schwarzen Frau, einer vielsprachigen Akademikerin und ausgewiesenen Pianistin, die für die langfristige globale Strategie zuständig ist, entstammen die Kabinettskollegen des Ministers alle reichen Familien und haben in ihrem achtjährigen Urlaub von öffentlichen Ämtern während der Clinton-Ära im privaten Sektor zusätzliche Vermögen angehäuft. In jenen fetten Jahren hat sich der Minister über niedrig dotierte Posten in der Regierung von Pennsylvania nach oben gequält. Nun scheffeln die Clintonianer, einschließlich der Clintons selbst, allesamt ein Schweinegeld mit ihren Enthüllungsmemoiren, während der Minister, loyal und schwerfällig, wie er ist, sich für alle Zeit zu strikter Geheimhaltung verpflichtet sieht.
Er weiß nur, was seine Arabisten ihm berichten; die Welt elektronischen Geplappers, die sie überwachen, knisternd durchsetzt mit poetischen Euphemismen und armseliger Prahlerei, ist dem Minister so fremd und zuwider wie jede Unterwelt schlafloser Käuze, selbst solcher kaukasischen Geblüts und christlicher Erziehung. Wenn dann der Himmel sich im Osten spaltet und rot ist wie eine Rose oder ein frisch abgezogenes Fell: Die Einfügung des nichtkoranischen «im Osten» in diese Koran-Stelle – wenn man sie neben diverse salbadernde «Geständnisse» gefangener Aktivisten hält – mag die Erhöhung der Wachsamkeit rechtfertigen (oder auch nicht), welche Polizei und Armee an der Ostküste bestimmten Finanzinstitutionen von der spektakulären, in den Himmel ragenden Sorte widmen, die auf die abergläubische Mentalität des Feindes so anziehend wirkt. Der Feind ist auf heilige Orte versessen und ebenso wie die alten kommunistischen Erzfeinde davon überzeugt, dass der Kapitalismus eine Zentrale besitzt, ein Haupt, das sich abschlagen lässt, woraufhin sich Scharen von Gläubigen dankbar in den Pferch einer asketischen, dogmatischen Tyrannei werden scheuchen lassen.
Der Feind kann nicht glauben, dass Demokratie und Konsumdrang Fieberkeime sind, die im Blut von jedermann zirkulieren, natürliche Folgen des instinktiven Optimismus und Freiheitsverlangens eines jeden Individuums. Selbst für einen wackeren Kirchgänger wie den Minister sind ein Gottes-Wille-geschehe-Fatalismus und eine
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