Terrorist
große Sache. Die meisten Leute sind cool geblieben. Ich war ja auch erst fünfzehn, als das passiert ist.» Wieder einmal muss seine Mutter ein Nichts zu einer Riesensache aufblasen, was Ahmed rasend macht.
«Es waren mehr als zwei oder drei. Das kann ich Ihnen sagen, Mr. Levine.»
«Levy.» Noch immer konnte er nicht erklären, warum er gekommen ist. «Ich hätte Ahmed in der Schule in mein Büro rufen lassen können, aber eigentlich wollte ich mit Ihnen sprechen, Ms. Mulloy.»
«Teresa, bitte.»
«Teresa.» Er tritt an den Tisch und blickt Ahmed über die Schulter. «Aha, schon dabei, wie ich sehe – Vorbereitung auf den Gewerbeführerschein. Aber mehr als den C-Schein werden Sie nicht kriegen, ehe Sie einundzwanzig sind, das ist Ihnen ja sicher klar – keine Lkws mit Anhänger, keine gefährlichen Ladungen.»
«Ja, weiß ich», sagt Ahmed und blickt angelegentlich auf die Seite, mit der er beschäftigt gewesen war. «Aber das ganze Gebiet ist interessant, stellt sich heraus. Da hab ich mir gesagt, wenn ich schon dabei bin, will ich auch gleich alles lernen.»
«Sehr vernünftig, mein Lieber. Jemandem, der so gescheit ist wie Sie, dürfte das ziemlich leicht fallen.»
Ahmed scheut sich nicht davor, Mr. Levy zu widersprechen. «Es ist komplizierter, als man meint. Erst mal gibt es jede Menge strenge Regeln, und dann muss man sämtliche Teile des Lkws kennen und wissen, wie man ihn instand zu halten hat. Wenn ein Laster liegen bleibt, kann das einen üblen Schaden anrichten.»
«Okay, bleiben Sie dran. Nur lassen Sie sich dadurch nicht von der Schule ablenken; Sie haben noch einen Monat Unterricht und allerlei Prüfungen vor sich. Sie wollen den High-School-Abschluss doch, oder?»
«Sicher.» Ahmed will nicht gegen alles, was Mr. Levy sagt, Einwände erheben, obwohl er ihm die angedeutete Drohung übel nimmt. Sie sind doch ganz wild darauf, ihm das Abschlusszeugnis zu geben, damit sie ihn los sind. Und wohin entlassen sie ihn? In ein imperialistisches Wirtschaftssystem, in dem alles nur zum Vorteil reicher christlicher Ungläubiger läuft.
Mr. Levy hat den mürrischen Ton vernommen und fragt: «Stört es Sie, wenn ich kurz mit Ihrer Mutter spreche?»
«Nein. Was soll mich daran schon stören? Und wenn, was dann?»
«Sie möchten mit mir sprechen?», sagt die Frau bereitwillig, um die Unhöflichkeit ihres Sohnes zu kaschieren.
«Nur ganz kurz. Also, noch einmal, Mrs. … Ms. … egal, Teresa! Es tut mir leid, dass ich Sie belästige, aber wenn ich etwas auf dem Herzen habe, dann lässt es mir einfach keine Ruhe. Ich muss es loswerden. So ein Typ bin ich nun mal.»
«Hätten Sie gern eine Tasse Kaffee, Mr. –?»
«Jack. Meine Mutter hat mich Jacob genannt, aber die meisten Leute sagen Jack zu mir.» Er sieht ihr ins Gesicht; ihre sommersprossigen Wangen sind gerötet, ihre Augen quellen übereifrig vor. Offenbar ist sie darauf bedacht, andere zufrieden zu stellen. Eltern bringen Pädagogen längst nicht mehr so viel Respekt entgegen wie früher, und für manche Eltern ist man geradezu ein Feind, wie die Polizei, nur lächerlicher, weil man keine Knarre hat. Die Frau hier jedoch gehört zwar einer Generation an, die jünger ist als er, könnte aber ihrem Alter nach noch eine kirchliche Erziehung genossen und von den Nonnen Respekt gelernt haben. «Nein, danke», sagt er. «Ich schlafe auch so schon miserabel.»
«Ich kann einen koffeinfreien machen», bietet sie allzu eifrig an. «Das wäre dann aber Pulverkaffee.» Ihre Augen sind hellgrün, wie die Coca-Cola-Flaschen, als sie noch aus Glas waren.
«Danach wäre mir schon», gesteht er, «wenn’s nicht zu viel Mühe macht. Wo können wir hingehen, damit wir Ahmed hier nicht länger stören? In die Küche?»
«Da ist es zu unordentlich. Ich habe das Geschirr noch nicht weggeräumt. Ich wollte an mein Bild gehen, solange ich noch genug Elan hatte. Gehen wir doch in mein Atelier. Da habe ich eine Kochplatte.»
«In Ihr Atelier?»
«Ich nenne es so. Dort schlafe ich auch. Sehen Sie über das Bett hinweg. Der Raum muss eben mehreren Zwecken dienen, damit Ahmed sein Zimmer ganz für sich hat. Jahrelang haben wir uns ein Schlafzimmer geteilt, zu lange vielleicht. In diesen billigen Wohnungen sind die Wände ja wie aus Pappe.»
Sie macht die Tür auf, aus der sie zehn Minuten zuvor herausgekommen ist. «Wow!», macht Jack Levy, als er eintritt. «Ahmed hat mir zwar erzählt, dass Sie malen, glaube ich, aber –»
«Ich versuche, kühner zu arbeiten,
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