Terrorist
gezeigt hätte und nicht erst einen Monat vor Ende seiner Schulzeit.»
«Wir sind im Kollegium einfach überfordert», unterbricht sie Jack. «Bei zweitausend Schülern, von denen sich jeder zweite, freundlich ausgedrückt, dysfunktional verhält. Auf die Räder, die am meisten quietschen, wird eben zuerst geachtet, und Ihr Sohn hat nie Probleme gemacht, das war sein Fehler.»
«Sei dem, wie dem sei, in seiner jetzigen Entwicklungsphase betrachtet er die Collegeausbildung mitsamt den Fächern, die Sie genannt haben, als Teil der gottlosen westlichen Kultur, und von der will er nichts wissen, außer dort, wo er sich ihr absolut nicht entziehen kann. Er hat nie Probleme gemacht, sagen Sie, aber dahinter steckte mehr: Für ihn sind seine Lehrer dieProblemgestalten, unspirituell, zynisch und nur wegen des Gehalts dabei – wegen der kurzen Arbeitszeit und der Sommerferien. Er findet, sie geben ein schlechtes Beispiel. Kennen Sie die Redensart ‹Jemand schwebt über allem›?»
Levy nickt nur und lässt diese nun keck gewordene Frau reden. Vielleicht würde sich noch einmal als nützlich erweisen, was sie ihm über Ahmed mitteilte.
«Mein Sohn schwebt über allem», stellt sie fest. «Er glaubt an den islamischen Gott und an das, was ihm der Koran sagt. Ich selbst bin dazu natürlich nicht imstande, aber ich habe nie versucht, seinen Glauben zu untergraben.
Jemand wie ich, die so gut wie keinen Glauben besitzt, die das katholische Bündel mit sechzehn abgeworfen hat, empfindet seine Gläubigkeit als etwas Schönes.»
Was sie bewegt, ist also Schönheit – ihre Annäherungsversuche daran hängen an den Wänden, der süßliche Geruch trocknender Farbe geht von ihnen aus; und ihren Sohn lässt sie ähnlich hängen, lässt ihn in seinem grotesken, gewalttätigen Aberglauben trocknen. «Wie ist er eigentlich so geworden?», fragt Levy. «So – fromm? Wollten Sie ihn von Anfang an im islamischen Glauben aufwachsen lassen?»
«Bei Gott, nein!», erwidert sie. Sie spielt die Kesse und nimmt einen tiefen Zug, sodass ihre Augen zusammen mit dem Ende ihrer Zigarette aufzuglimmen scheinen. Ihr wird bewusst, was sie da gesagt hat, und sie lacht. «Wie finden Sie denn diesen freudschen Versprecher? ‹In nomine Domini – nein.› Der Islam hat mir nichts bedeutet – genauer gesagt, weniger als nichts: Er war für mich negativ besetzt. Und viel mehr hat er Ahmeds Vater auch nicht bedeutet. Soweit ich es mitbekam, ist Omar nie in eine Moschee gegangen, und jedes Mal, wenn ich den Versuch unternommen habe, auf das Thema zu sprechen zu kommen, wurde er ganz verschlossen und zog ein mürrisches Gesicht, als wollte ich mich in etwas einmischen, was mich nichts anging. ‹Eine Frau sollte einem Mann dienen, nicht von ihm Besitz ergreifen wollen›, hat er oft gesagt, als würde er aus irgendeiner heiligen Schrift zitieren. Er hatte es erfunden. Was für ein aufgeblasener Chauvi er war, was für ein Arsch mit Ohren! Aber ich war jung und verliebt – vor allem darin verliebt, dass er so exotisch war, wissen Sie, so gestelzt und Dritte Welt, und dass ich, indem ich ihn heiratete, beweisen konnte, wie liberal und emanzipiert ich war.»
«Ich kenne das Gefühl. Ich bin Jude, und meine Frau war Lutheranerin.»
«War? Ist sie denn konvertiert, wie Elizabeth Taylor?»
Jack Levy stößt ein brummiges Glucksen aus, blickt auf die unerwünschten Collegekataloge, an die er sich noch immer klammert, und gibt zu: «So hätte ich mich nicht ausdrücken sollen, sie hat nie gewechselt, sie geht einfach nicht mehr zur Kirche. Ihre Schwester dagegen arbeitet für die Regierung in Washington und ist kirchlich sehr aktiv, wie all die wiedergeborenen Christen dort unten. Vielleicht liegt es auch einfach nur daran, dass die einzige lutherische Kirche hier die litauische ist, und als Litauerin versteht sich Elizabeth nun wirklich nicht.»
«Ein hübscher Name, Elizabeth. Man kann so gut damit spielen: Liz, Lizzie, Beth, Betsy. Aus Teresa lässt sich nur Terry machen, und das klingt wie ein Jungenname.»
«Oder wie der eines Malers.»
«Es ist Ihnen also aufgefallen. Stimmt, ich signiere so, weil die Geltung von Malerinnen immer geringer war als die der Männer, egal wie groß sie als Künstlerinnen waren. Mit ‹Terry› bringe ich die Leute zum Raten.»
«Mit ‹Terry› lässt sich doch eine Menge anfangen: Terrier. Terror. Terrine. Infant terrible. Und dann gibt es auch noch die Terry Times.»
«Was ist denn das?», fragt sie ganz
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