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Terry - Geschichten aus dem Leichenhaus

Terry - Geschichten aus dem Leichenhaus

Titel: Terry - Geschichten aus dem Leichenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Peters
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versprochen, sie habe Angst.
    Es seien genügend Freiwillige da, wie vorgeschrieben. Ich weiß, ich weiß. Ich bin ihr Vorgesetzter, das genügt, stellt Kretor messerscharf und uneinsichtig fest. Vor allem in Hinblick auf Bevs abweisendes Verhalten vor einem Monat, als seine Hand ihren Rock – ganz hinten – glattstreichen wollte. Sie könne sich auch durch – äh – persönlichen Einsatz bei ihm von der Objektbewachung befreien lassen. Max grinste und kratzte sich im Schritt.
    Bettina zieht es widerstrebend vor, kosmopolitisch zu bleiben und als Beverley noch widerstrebender Dienst zu tun. Und wenn sie jede Nacht ihren Kinderspruch: „Sag mal Bouillon!“ aufsagen müsste.
    Bev hat im zarten Rücken auch noch Andi, Hauptwachtmeister und Freund. Andi hätte sich gern den Fuchsschwanz besorgt, als er von Kretins Befehl hörte. Ich bleib hart an dir dran, mit dem Sprechgerät, tröstete er. Fahr dir im Wagen nach, die Kollegen in Bereitschaft, wenn’s hart kommt. Melde dich an jeder Haltestelle.
    Hold on, I’m coming, denkt sie. Reach out to me for satisfaction. Dabei fühlt sie sich wohl, dann nicht mehr, als sie daran denkt, dass auch Freund Fuchsschwanz dieses Lied singen könnte.
    23 Uhr 48 steigt der alte Mann ein, am Gerresheimer Bahnhof.
    Glashütten-Schornsteine zwischen denen schmutziger Nebel wischt, flache, graue Häuser ringsum. Wie Liverpool, denkt sie, obwohl noch nie dagewesen.
    Der Alte schiebt sich neben Bev. Alle Sitze sind leer. Er keucht, riecht nach Nikotin, Schweiß und Blut. Sie tröstet sich schwach, denn das Wasch- und Klowasser stinkt seit Kretins Willen auch nach Blut. Ziege! denkt sie. Am Glashütten-Parkplatz müsste Andi warten, versteckt von Containern und Autos der Nachtschichtler. Wird ihr hinterherfahren, wenn’s nach Erkrath geht. Oder?
    Der Nachbar hält die Adenauer-Aktentasche fest umklammert, Bev das Funkgerät in der Parka-Seitentasche, neben dem noch etwas anderes klobig herausragt. Die fünfte im Schießen, denkt sie gereizt, ist vielleicht die erste beim Sterben ... Ha, ha.
    Sie spürt die schwarzen Finger der Depression an ihrem Hals; bald würden sie in ihre Seele eindringen. Andi war’s, der vor zwei Jahren alle Finger abgeschnitten hatte, und sie war frei.
    Es war nach einen harten Zwölf-Stunden-Tag, und Bev stand kurz vor dem Zusammenbruch. Andi saß neben ihr im Dienstwagen, und ihr eingefallenes, fahles Gesicht wollte ihm gar nicht gefallen.
    „Wir haben noch einen Einsatz“, sagte er hart.
    „Andi, ich kann einfach nicht mehr.“
    „Es wird nicht lange dauern“, antwortete er hohl und fuhr in Richtung Friedhof, Grabschändern auf der Spur. Es regnete schwarzes Blei, und hinter der Leichenhalle ging die Sonne unter. Sie fragte: „Warum um Gottes willen haben wir diesen Beruf ergriffen?“
    Anstelle einer Antwort  holte Andi seine Handschellen hervor.
    „Deswegen“, sagte er kurz. Die letzten Sonnenstrahlen spiegelten sich in dem Stahl wider.
    „Ich versteh’ kein Wort“.
    „Brauchst du auch nicht.“ Er nahm auch ihre Handschellen, stoppte den Wagen und beide gingen zur Leichenhalle. Bev fiel vor Erschöpfung über einen umgefallenen Grabstein. Der Regen hatte sie im Nu durchnässt. Andi packte sie hart unter und öffnete die schwere Eichentür. Durch ein klappriges Fenster im Dach fiel mattes, böses Licht, das es auf dieser Welt gar nicht zu geben schien. Es breitete sich gierig über ein paar Särge aus.
    „Wenn ich nicht selbst beteiligt wäre“, sagte Bev, „würde ich das hier schon als kitschig bezeichnen“.
    „Und jetzt zieh’ dich aus!“ befahl ihr Andi. Bev schaute ihn an, als habe er den Verstand verloren. Da nahm er den Revolver und zerschoss die obere Fensterscheibe. Glassplitter mit Regen gemischt fielen auf die Särge. Als Andi die Waffe dann auf sie richtete, hielt sie ihn nun tatsächlich für wahnsinnig und kam seinem Befehl nach.
    „Du kannst die Jacke ruhig anbehalten“, meinte er lakonisch. „Aber sonst nichts.“ Sein Blick war irgendwie irre und die nassen Haare fielen in sein verzerrtes Gesicht. Er griff nach den Handschellen und fesselte Bettina an einen Sarg, der hoch aufgebahrt in der Leichenhalle stand. Dann presste er seinen schweißnassen Körper an ihren nackten Leib, öffnete ihre Uniformjacke und küsste ihre Brüste. Aber als Bev in seine Augen blickte, sah sie keinen Irren mehr vor sich, sondern einen Mann, der sie unendlich liebte.
    Sie fühlte das nervöse Fingern an seinem, dann an ihrem

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