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Terry - Geschichten aus dem Leichenhaus

Terry - Geschichten aus dem Leichenhaus

Titel: Terry - Geschichten aus dem Leichenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Peters
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Kohldampf“, sagt Turnschuh. Nummer zwei zerrt einen Kalbskopf hervor.
    Ja, ja, im Schlachthaus war ich. Ich hab kein dreizehntes Gehalt.
    Andi lacht und fünf Mann mit ihm. Turnschuh bekommt einen Tritt und stöhnt. Andi spricht ins Mikro: Hey Süße, blinder Alarm. War nur ein Kalbskopf. Hast aber gut aufgepasst.
    In Wuppertal-Vohwinkel steigt ein alter Mann aus dem Abteil. Ein Typ will ihm dabei helfen, gebrechlich, wie er aussieht.
    Acht andere steigen ein. Jemand sieht Bettina dasitzen, der Blickkontakt zu ihr ist recht tief, weil der Kopf neben ihrem rechten Oberschenkel steht. Ihre leeren Augen, in die ein Fremder noch vor kurzer Zeit hineinonaniert hat, blicken stumpf in eine rote Pfütze.
    In Kinnähe ein Funkgerät, aus dem Andi ruft: Bev! Melde dich doch! Du bist gleich erlöst.
     
    Ende
     
     
     
    Happy Birthday – Teil eins
     
    Harold drehte sich umständlich um und zog ein Magazin aus seinem Kinderbett, das vergittert war, als sei er ein Strafgefangener.
    Sein Zimmer war fensterlos, das heißt, früher existierte mal eines, doch Mutter hatte es zumauern lassen.
     
    Der Schatten der Mutter floss wie alter, schleimiger Honig über die Wand und blieb über Harold stehen wie ein alter Scherenschnitt.
    Sie zuckte zusammen, als sie das Magazin sah, als habe sie einen Haftbefehl gegen sich erblickt. „Wo hast du das her?“
    „Du selbst hast es liegengelassen.“
    „Das ist nichts für dich!“ Sie atmete wie ein Blasebalg.
    „Mutti, was ist das denn obendrauf?“
    „Ein Automobil.“
    „Was ist ein Auto... mo... biehhhl ... ?“
    „Ein au-to-mo-bil“, sie dozierte, als handele es sich um ein Thema der Nuklearmedizin, „ist etwas, worin man fahren kann. Auf den Straßen. Verstehst du? Man braucht nicht zu Fuß zu gehen.“
    „Oh Mami, das ist ja toll.“
    „Toll? Ist es toll, wenn man so schnell fährt, dass man dabei andere Menschen töten kann? Ist es toll, wenn man sich zum Krüppel fahren kann? Nennst du das  toll? In Wahrheit ist ein Automobil genauso böse wie alles da  draußen.“
    Harold überlegte angespannt. Dann bekam er Mut zu einer weiteren Frage: „Mami, die Menschen in dem Maga... din...“
    „Ma-ga-zin!“
    „Die Menschen sehen doch alle ganz anders aus als in meinem Märchenbuch. Die können doch nicht alle böse sein?“
    „Die Menschen im Märchenbuch sind alle gut, so wie es sein sollte. Deshalb sage ich dir ja auch immer wieder und wieder: Schau da rein! So ist das Leben. – Eigentlich ist das magazin ein Märchenbuch.“
    Er ging unbeholfen auf Mutter zu; das Gehen bereitete ihm noch Schwierigkeiten. Er umfasste ihren dürren Leib und drückte den Kopf an ihre Schürze, wobei sein Strickmützchen verrutschte.
    „Oh Mami. Ich bin dir so dankbar. Du erklärst immer alles so gut.“
    „Ist ja schon gut, mein Kleiner. Ist ja schon gut ...“
    „Mami! Mami, ich hatte vorhin Angst. Angst, als du nicht da warst.“
    „Angst wovor?“
    „Angst vor den Stimmen hinter der Band – äh – Wand.“
    Ihre Augen wurden zu Schlitzen. Es war kein guter Tag.
    „Na, so laute Stimmen. Knallen, Schreien. Einer  schrie: Hooor!“
    „Nein – tooor!“
    Sie kam langsam aus der Küche, der alte Honigschatten an der Wand begleitete sie.
    „Da brauchst du keine Angst zu haben. Es waren die miesen anderen von nebenan. Alle sind ja böse, wie du weißt. Alle, außer uns. Sie haben einen Fernseher, weißt du? Ein Fernseher ist so was wie das Magazin, nur ein großer Kasten, in dem die Bilder laufen. Da gucken sie immer rein, stundenlang. Und sehen böse Sachen.“
    „Aber Mami, die haben doch auch gelacht! Du hast mir doch mal vorgemacht, wie Lachen ist. Und ich hab es trotzdem nicht verstanden. Jetzt weiß ich es. Hört sich toll an, das Lachen.“
    Mutter wurde ärgerlich. „Gut. Sie haben gelacht. Aber nicht mehr lange. Früher oder später werden sie an ihrer eigenen Boshaftigkeit zugrunde gehen.“
    „Mami. Wann bringst du mir Lesen bei? Hätte ich lesen ’können, könnt ich auch lesen, was in dem Maga-zin (seine Stimme klang wegen des Z’s stolz) steht. Und in dem Märchenbuch!“
    „Das weiß Mami noch nicht; vielleicht werde ich es dir nie beibringen. Du siehst ja, wie dich alles durcheinanderbringt. Und es genügt, wenn ich dir vorlese!“
    „Aber die Märchen kenne ich schon alle. Einige kann ich sogar auswendig.“
    Mami war wieder in der miesen Küche verschwunden und hörte nichts. Nur ihr Schatten schien im Kinderzimmer hängengeblieben zu sein, wie ein

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