Terry - Geschichten aus dem Leichenhaus
leere Stadt mit ihren beängstigenden Dimensionen zu blicken. Noch immer kein Mensch in Sicht, trotzdem wusste ich von der Anwesenheit vieler, die mich beobachteten. Und wieder das verzweifelte Lachen, das sich diesmal in einer Mülltonne verfing. Die Stühle im Malpaso waren inzwischen wieder zurechtgestellt worden, jemand hatte die Gläser und Tassen weggeräumt, und zwei der Cabrios standen nicht mehr dort, um mich lauernd anzublicken. Vor Angst und Kälte hielt ich mich an einer Hauswand fest. Na klar, denke ich. Na klar. Du bist in einem veritablen Alptraum, mein Lieber. Du befindest dich in den Traumkorridoren des Deliriums. Was ist, wenn es diese Droge gar nicht gibt? Wenn alle vernünftig sind, aber ich kann keinen Menschen sehen, weil ich den Verstand verloren habe? Einer von vielen - in letzter Zeit. Hmmm ... hmmmm ... Ich pfiff ein unsinniges Lied. Die Zeiger der Bahnhofsuhr waren natürlich keinen Deut weitergerückt, wie konnten sie auch, bei drei an der Zahl? Hmm ... hmmm ... Na, gleich klingelt der Wecker. trinken und eine gute Zeit haben. Ganz bestimmt sogar eine gute Zeit. Mein Name ist ... Ich beiße mir vor Angst ins Handgelenk. Drei, vier Blutstropfen kullerten meinen Arm hinab. Verzweifelt suche ich nach einer blauen Pille, die mich beruhigen soll. Ich krieche unter Stühle und Tische. Vielleicht liegt da eine verdammte LightFire! Nein, natürlich nicht! Wenn ein Zombie käme, würde ich es bitten, mich mit einem Biss zu erlösen, da ich selber dazu zu feige bin. Komm – Zombielein – töööte mich! Bitte ..! Dann laufen mir Tränen die Wange herunter. Haben wir nicht Angst vor Zombies, weil sie uns auf unangenehme Art und Weise ähneln? Wir sind wankende Gestalten, beinahe schon tot und gucken Müll im Fernsehen und hören und lesen nur Trash! Geschieht uns recht! Aber wem erzähle ich das eigentlich? Ihnen? Gibt es sie? Oder mir selbst, der ich mich nun mit einer verrosteten Rasierklinge, die auf dem Boden lag, schneide, um Leben zu fühlen. Ich sollte mit dem Ding meine ganze Lebensgeschichte in meine Haut hinein ritzen. Ein lebendes Kunstwerk, eine lebende Biografie! Aber wer soll sie lesen, wenn es niemanden mehr in Samara gibt? Sogar die Zeiten bringe ich durcheinander. Bin ich noch in der Vergangenheit? Da hörte ich knirschendes Metall, das die tödliche Stille zerschnitt, und ich sah etwas auf mich zukommen, dass ich zunächst gar nicht erkennen konnte. Die Erscheinung war zu unerwartet trotz ihrer profanen Art. Denn eine Straßenbahn fuhr über den Boulevard und ich zuckte zusammen. Menschen? O Gott! Ich schwebte zwischen Freude und undefinierbarem Grauen. Aber gleich ist der Traum eh zu Ende. Oder? Es war eine alte Tram, die quietschte und wackelte. Und die Tram kam geradewegs auf mich zugefahren. Wie lange kann so ein Alptraum eigentlich dauern? dachte ich und sprang von einem Fuß auf den anderen. Die Bahn hielt knirschend nur wenige Zentimeter vor meinen Füßen. Sie war leer, wenn man von der kleinen alten Frau absah, die vorne auf der Bank saß und mich anlächelte. Die Alte hatte eine komische rote Jacke an, so wie ich sie mal in einem Zirkus gesehen habe, darunter dunkelblaue Schaffnerhosen, eine altmodische Kelle in der Rechten. Sie pfiff, und die Bahn hielt nun endgültig knirschend an. »He! « rief ich, aber sie schien mich weder zu hören noch zu sehen. »He, wo bin ich hier? « Die Alte kramte eine Zigarettenpackung aus der Zirkusjacke und steckte sich eine an. Dann kratzte sie sich im Schritt. Sie hatte kurze krumme Beine. Am rechten Fuß trug sie einen violetten Stöckelschuh, am linken einen Stiefel, an dem uralter Schlamm klebte. Ihr Gesicht war runzelig, doch die Augen waren die einer jungen Frau.
»Wissen Sie wenigstens, wann dieser Traum hier zu Ende ist?! « fragte ich sie, doch sie sog an ihrer Zigarette und blickte mit zusammengekniffenen Augen in Richtung Bahnhofsuhr. Endlich jemand, dachte ich, der noch raucht und sich nicht über Qualm beschwert, wobei ihm der Biergeruch aus dem versoffenen Schlund dringt.
»Junge Frau, bitte geben Sie mir endlich meine Rückfahrkarte nach Samara«, beharrte ich. Doch sie bohrte sich ungeniert in der Nase herum und pfiff ein mir unbekanntes Lied.
»Darf ich mich wenigstens vorstellen? « schrie ich sie an, und mein Speichel spritzte in ihr gelbliches Gesicht. »Mein Name ist ... ist, « Doch wieder schlingerten die dunklen Schlieren aus Öl durch mein Hirn und verhinderten jedwede Erkenntnis. Aber der Traum wird
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