Tesarenland (German Edition)
den Arm. Sie zuckt kurz, verfolgt aber interessiert genau, was Roland mit ihr macht.
Ich sehe Luca an und flüstere lautlos »Danke«. Er streicht kurz über meine Hand und diese Berührung lenkt mich so sehr ab, dass ich verpasse, wie Roland den Chip aus Kaylas Arm holt. Ich komme erst wieder zu mir, als sie wie wild auf dem Boden herumhüpft, immer wieder auf den Chip springt und dabei lacht. Mir wird ganz warm, als ich sehe, wie glücklich sie ist.
Sie umarmt Roland dankbar, löst sich ein Stück von ihm und sagt dann: »Ich wünschte, Mutter könnte mich jetzt sehen .« Sie hat ihre Arme noch immer um Rolands Nacken geschlungen. Das Kaninchen ist sichtlich gerührt. In seinem Gesicht zucken die Muskeln und ich kann von meiner Position aus sehen, dass er die Kiefer fest aufeinander gepresst hat. Bestimmt will er nicht, dass wir sehen, dass er doch kein so harter Kerl ist.
Meine kleine Schwester reibt sich die Nase, kneift die Augen zusammen und niest Roland mitten ins Gesicht. Erschrocken schlägt sie die Hände vor ihr Gesicht. Ich kann trotzdem sehen, wie sie knallrot anläuft, und muss grinsen. Auch Luca kann nicht an sich halten und lacht laut los. Roland nimmt sich gelassen ein Tuch, verzieht keine Miene, als er sein Gesicht trocken wischt und Kayla dabei anstarrt. Kayla weicht einen Schritt zurück und fährt sich nervös durch ihr abstehendes Haar. Sie hat Angst, Roland könnte wütend werden, so wie der alte Aufseher, der scheinbar ohne Gewissensbisse, auch mal eins der Koloniekinder geschlagen hat, wenn sie ihm zu nahe gekommen sind.
Roland legt das Tuch beiseite, dann verengen sich seine Augen. Ich will Kayla schon hinter meinem Rücken in Schutz bringen, da packt das Kaninchen sich meine Schwester, zerrt sie auf seinen Schoß und krabbelt sie durch. Kayla lacht und brüllt gleichzeitig. »Niest einem alten Rebell einfach ins Gesicht«, sagt er. »Aber so was kommt schon mal vor. Erst neulich sag ich zu Roberts Sohn: »Hey, Tom. Hilf mir doch mal, meine Haare zu schneiden.« Er macht das natürlich und schnoddert mir doch dabei auf den Kopf.«
Kayla kichert und rutscht auf Rolands Schoß herum. »Es gibt Kinder bei euch ?«
»Klar, was hast du denn gedacht? Ganz viele. Mindestens zehn.«
15. Kapitel
Über Nacht bekommt Roland Fieber. Er schiebt es auf die Hundebisse. Auch Luca denkt sofort an die Hunde. »Wahrscheinlich haben sie Keime übertragen. Hoffen wir, dass es keine Tollwut ist.« Er gibt Roland etwas von dem Medikament, das wir für Kayla bekommen haben, und reinigt noch einmal alle Wunden.
»Wir sollten abwechselnd Wache schieben«, schlägt Luca vor. »So bekommen wir alle etwas Schlaf .«
Ich erkläre mich einverstanden, die zweite Schicht zu übernehmen und lege mich neben Kayla auf ein Lager aus Decken. Eine Weile lausche ich Kaylas gleichmäßigem Atem. Aber ich kann nicht einschlafen.
Ich muss an morgen denken, wenn Roland Kontakt zu seinen Leuten aufnimmt, um ein Treffen auszumachen. Wie sie wohl auf uns reagieren werden? Werden sie bereit sein, noch mehr Esser in ihrem Kreis aufzunehmen? Wir sind Fremde für sie. Was soll ich tun, wenn sie Kayla und mich nicht wollen? Aber wenn sie alle so sind wie Roland und Luca, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass sie uns abweisen. Ich muss eine Bleibe für Kayla und mich finden. Sie braucht ein Zuhause. Wenn wir nur hätten, in Kolonie D bleiben können. Ich hätte uns schon Essen besorgt – irgendwie. Wenigstens hätten wir einen Ort für uns gehabt, ein Bett, einen Ofen, der manchmal sogar warm war. Aber wie lange noch?
Es fühlt sich richtig an, hier draußen außerhalb der Kolonie zu sein. Aber es fühlt sich nicht besser an. In der Kolonie war es leichter. Wir hatten nicht viel zu fürchten, nur die Laster der Tesare. Aber nicht einmal die haben wir wirklich gefürchtet, denn sie haben nicht nur Menschen mitgenommen, sie haben auch Nahrung gebracht. Also haben wir sie genauso sehr herbeigesehnt, wie wir sie gefürchtet haben. Sonst hatten wir nicht viel auszustehen in Kolonie D. Ganz anders ist unser Leben hier draußen. Jeden Tag ein Kampf ums Überleben. Jeden Tag Angst vor den Tesaren. Luca hat recht, das Leben der Rebellen ist schwerer als das der Kolonisten. Verluste gibt es auf beiden Seiten, aber die Rebellen müssen wirklich Kämpfen, während die Kolonisten einfach nur abwarten; auf den nächsten Tag, auf die nächste Lieferung, auf den nächsten Winter. Und dann sehe ich Kaylas glückliches
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