Tesarenland (German Edition)
seinen Chip zuerst entfernt, könnte die Explosion uns alle töten. Und der Gedanke, Luca könnte etwas passieren, gefällt mir auch nicht. Er versetzt mir einen Stich im Herzen.
Ich knabbere an meiner Unterlippe. Ich bin mir nicht sicher, aber dann sage ich mir, besser ich mache den Anfang. Zum Einen, weil Kayla mit Luca zusammen die besseren Chancen hätte, sollte der Chip sich doch auf unvorhersehbare Weise seiner Entfernung entziehen wollen. Zum Anderen soll Luca nicht glauben, ich wäre zimperlich und überängstlich. Bisher habe ich mich nicht von meiner besten Seite gezeigt. Er soll nicht den Eindruck bekommen, ich wäre eins von diesen Mädchen, das man ständig im Auge behalten und vor sich selbst schützen muss. Ich will ihm beweisen, dass ich nicht komplett unnütz bin. Dass ich auch zu etwas Fähig bin. Und ich möchte Kayla zeigen, dass ich keine Angst habe. Mein Mut soll ihr ihre Bedenken nehmen.
»Mich zuerst«, sage ich entschlossen und halte Roland meinen Arm entgegen.
Er öffnet das Kästchen mit dem Kreuz, legt Verbandsmaterial zurecht, zwei Spritzen und ein kleines braunes Medizinfläschchen. »Wir sind ja keine Barbaren.«
»Barbaren? Warum ?«, will Kayla wissen, setzt sich zu Roland auf das Bett und untersucht neugierig, was sich noch in dem Kästchen befindet.
Roland bedeutet mir, mich auf seine andere Seite zu setzen. »Weil wir nicht wollen, dass euch das wehtut, was wir gleich machen. Deswegen bekommt ihr vorher eine kleine Spritze, die wird euren Arm betäuben. Das fühlt sich etwas komisch an, aber dafür habt ihr dann keine Schmerzen«, murmelt Roland, während er eine der Spritzen aus ihrer Verpackung nimmt und in den Verschluss der Flasche rammt. Auf seiner Stirn entstehen tiefe Falten und er zieht die Unterlippe zwischen seine Zähne, während er sich auf seine Arbeit konzentriert.
Er sticht mir die Nadel in den Arm, tastet dann nach dem Chip unter meiner Haut, und noch ehe ich es richtig registriere, setzt er das kleine Messer an und macht einen tiefen Schnitt. Gerade will ich anfangen mit wimmern, als ich das Blut sehe. Da merke ich, dass ich wirklich nichts spüre. Und schon hat er den Chip aus der Wunde geholt. Und er ist nicht explodiert, stelle ich erleichtert fest und stoße die Luft mit einem langen Pfff zwischen den Lippen hervor. Es ist gar nichts passiert. Ich kann nicht glauben, dass es so einfach war.
Luca klebt Streifen auf den etwa fingernagelgroßen Schnitt, dann wickelt er einen Verband drum. »Das war´s«, sagt er und zwinkert mir zu. Ich schlucke und schaue auf das grüngoldene erbsengroße Etwas, das Roland mir auf der flachen Hand hinhält.
»Noch nicht ganz. Die Ehre, es mit Füßen zu treten, gebührt dir, Kleine.«
Ich runzle fragend die Stirn. »Ich soll es zertreten ?«
»Genau.«
Roland lässt es auf den staubigen Boden fallen und ich trete mit so viel Kraft, wie ich aufbringen kann auf den Chip. Und es fühlt sich toll an, wie er unter meiner Schuhsohle knirscht. Das war es, denke ich mit gemischten Gefühlen. Ich bin kein Eigentum der Tesare mehr.
Aber wer bin ich jetzt? W ie wird es für mich weitergehen? Fast fühlt es sich so an, als hätte ich auch ein Stück Sicherheit, ein Stück meiner Identität verloren. Angst schleicht sich meine Wirbelsäule hinauf, weil ich nicht weiß, wie mein Leben in Zukunft aussehen wird. Bisher verlief jeder Tag gleich. Früh morgens aufstehen, damit man möglichst die Erste war, die am Zaun nach Nahrung sucht. Mutter im Garten helfen. Am Nachmittag auf dem Versammlungsplatz ein paar Freunde treffen oder Marco beim Geschichtenerzählen zuhören. Darauf warten, dass die Tesare kommen würden. Hoffen, dass sie Lebensmittel mitbringen. Fürchten, dass sie Menschen mitnehmen.
Als Kayla an der Reihe ist, halte ich ihre andere Hand und streichle sie beruhigend. Sie hat die Lippen fest aufeinandergepresst und schaut mich weinerlich an. Aus ihrer Nase läuft ein Tropfen Blut hinunter bis auf ihre Lippen. Dort bleibt er hängen. Roland nimmt ein Tuch, tupft das Blut weg und schaut Luca an. Ich beiße mir auf die Unterlippe, weil ich mir sicher bin, dass es dem Kaninchen nicht gefallen wird, wenn er erfährt, dass Kayla krank ist. Wir haben ihr seit Stunden keine Medizin mehr gegeben. Ich hoffe, dass die Krankheit nicht zurückkommt.
»Das hat sie öfters in letzter Zeit«, sagt Luca achselzuckend. »Hatte ich auch, als ich jünger war. Kommt vor .«
»Wird wohl so sein«, brummt Roland und sticht Kayla die Nadel in
Weitere Kostenlose Bücher