Tesarenland (German Edition)
weitergehen. Es gibt Momente, da erscheint es mir, als wäre unser Leben in Kolonie D sicherer gewesen. Aber dann sage ich mir, nur noch wenige Stunden, dann werden wir diese Chips los sein und das ist alles, was Mutter je für uns gewollt hat. Ein Leben in Freiheit, ohne jede Sekunde Angst haben zu müssen, dass die Tesare uns holen kommen. Solange ich denken kann, haben sie sich an uns bedient, wie an einem Vorratsschrank. Aber die Angst folgt uns auch hier draußen auf Schritt und Tritt. Ich kann nur hoffen, dass es anders wird, wenn wir die Rebellen erst einmal erreicht haben.
Es dämmert schon, als Roland uns weiter weg von der Straße führt. Kayla stolpert schon seit einer Ewigkeit nur noch neben mir her. Ich trage sie mehr, als dass sie selbst läuft. Sie hat schon lange nichts mehr gesagt. Ein deutliches Zeichen ihrer Erschöpfung. Auch mir schmerzt jeder Muskel im Leib und ich bin wirklich erleichtert, als sich vor uns das Gestrüpp teilt und ein von Ranken überwuchertes Haus sich aus dem Boden erhebt.
Roland hat recht, es ist wirklich zerfallen. Vom Dach ist nur noch das Skelett zu sehen, eine Wand ist eingestürzt, aber es ist mir egal. Alles was ich will, sind ein paar Minuten sitzen. Meine Füße aus diesen Schuhen befreien und die Augen schließen.
Kaylas Knie knicken ein, dabei reißt sie mich fast mit zu Boden. Luca hebt sie auf seine Arme und trägt sie hinter dem Kaninchen hinterher. Das Kaninchen wischt Schnee von einer Metallklappe. In den vergangenen beiden Tagen sind die letzten Zeugen des Winters weggetaut. Viel Schnee gibt es nicht mehr. Ich bin froh darüber. Es wird langsam wärmer. Leider werden wir die Sonne, die sich heute ankündigt nicht genießen können. Roland hat schon gesagt, dass wir uns nur bei Nacht bewegen werden. Am Tag sind wir ein zu leicht auszumachendes Ziel.
»Das ist ein alter Luftschutzbunker. Den benutzen unsere Leute immer, wenn sie auf Erkundung in die Tesarenstadt geschickt werden. Hier unten gibt es auch zu essen. Also dann mal los die Damen, rein in die gute Stube!«
Ich steige vor Kayla die wackelige Leiter hinunter. Es ist dunkel dort unten und ich kann nichts sehen. Dafür kann ich riechen. Die Luft ist dick, feucht und schimmelig. Aber nichts riecht so schlimm wie das brackige Karamwasser. Vorsichtig taste ich mich etwas von der Leiter weg. In Reichweite meiner Arme entdecke ich ein Regal. Ich stelle mich davor und warte auf die anderen. Als Luca herunterkommt, knipst er seine Taschenlampe an. Dann entzündet er etwas von der Flüssigkeit, die ich mittlerweile schon kenne. Auch hier gibt es einige dieser Kanister. Sie stehen in der Ecke gestapelt. Es gibt auch ein Bett, ein paar Bücher und Lebensmittelbüchsen in dem Regal hinter mir. Ansonsten scheint dieser Bunker nicht mehr als ein Loch in der Erde zu sein, die Wände mit Steinplatten befestigt.
Roland schließt die Luke über unseren Köpfen. Er zeigt auf ein Rohr, das in der Decke verschwindet. »Unsere Luftzufuhr.« Er lässt sich auf das Bett fallen und zieht seinen Rucksack zwischen seine Beine. »Zuerst kommen wir zum Wichtigsten. Ich hab keine Lust, dass die Grünlinge uns hier entdecken.«
Er holt ein kleines Kästchen mit einem breiten roten Kreuz auf dem Deckel aus seinem Rucksack, legt es neben sich auf das Bett und legt ein kleines Messer dazu. Er stöhnt, als er seinen Arm aus seiner Jacke zieht. »Luca, du wirst mir helfen müssen .«
»Sollen wir uns nicht erst um deinen Arm kümmern ?« Luca nimmt dem Kaninchen die Jacke ab. In seinem Gesicht kann ich Unbehagen ablesen.
Mir wäre es auch lieber, wir würden uns erst um die Verletzungen an Rolands Arm kümmern. Nicht auszudenken, wenn die sich erst entzünden. Außerdem bin ich noch nicht bereit, mir meinen Chip entfernen zu lassen. Es ist nicht der Schnitt in meine Haut, der mich beunruhigt, sondern die Angst davor, dass es nicht klappt. Dass dieses kleine Ding in meinem Arm uns alle in den Tod reißt, wenn Roland versucht es zu entfernen. »Was, wenn es explodiert?«
Roland sieht zu mir auf und lacht. »Es explodiert? Wie kommst du denn darauf ?«
»Die Tesare sagen, wenn man es rausholen will, explodiert es und tötet einen«, verteidigt mich Kayla.
Roland sieht zu Luca hin, der das Messer in die Feuerflüssigkeit taucht und es dann anzündet. Luca zuckt gelassen mit den Schultern. »Das glauben sie alle. Wir können ja bei mir anfangen«, sagt er und grinst mich dabei an.
Ich habe kein gutes Gefühl dabei. Selbst wenn Luca
Weitere Kostenlose Bücher