Tesarenland (German Edition)
den Rücken nimmt, oder sie wieder absetzt, wird meine Monotonie durchbrochen. Dann wache ich für einige Sekunden wieder auf, suche den Himmel nach einem Zeichen des Sonnenaufgangs ab und seufze, weil wir immer noch nur von Sternen umgeben sind. Nicht einmal mehr Kaylas Husten oder der von Roland, schrecken mich auf.
Irgendwann bleibt Roland vor einem Hang stehen. Er blickt hinauf, aber in der Nacht kann man den Gipfel nicht ausmachen. Bäume erschweren uns zusätzlich die Sicht.
»Sollen wir jetzt dort hochklettern?«, frage ich matt. Meine Beine tragen mich kaum noch und Luca wird Kayla nicht länger herumschleppen können. »Kann man nicht drum herum laufen?« Meine Stimme klingt weinerlich, aber das ist mir egal. Ich will nicht mehr. Ich kann nicht mehr. Aber vor allem zittert Kayla am ganzen Körper. Sie braucht Wärme. Sicher ist sie unterkühlt. Ich zieh sie an mich, reibe ihr mit meinen Händen über Rücken und Arme.
Roland steigt ohne zu antworten ein paar Schritte den Hang hinauf und fängt dann an Laub, Schnee und Zweige wegzuwischen. Ich frage mich erst, ob der Hundevirus seinem Hirn geschadet hat, da legt Roland ein Rad frei, dreht daran und öffnet eine kleine Tür.
»Die Damen zuerst.«
Ich sehe Luca verwirrt an und er grinst.
»Ein Luftschutzbunker«, sagt er.
Viel kann ich nicht sehen, nur ein schwarzer Schlund, der irgendwo in den Bauch des Berges führt. Zögernd trete ich ein, Kayla zur Vorsicht hinter mich haltend. Hinter mir schließt sich quietschend die Tür und dann umschließt vollkommene Finsternis uns. Kein Mond mehr, der uns leuchtet, keine Sterne. Nur erdrückende, beängstigende Finsternis.
Ich suche nach Kaylas Hand, verschränke meine Finger mit ihren. Dann flackert Licht auf. Roland hat seine Taschenlampe angeschaltet. Seit der Begegnung mit dem Tesarenflieger haben wir die Lampen ausgelassen. Ich blinzle. Das Licht tut mir einen Moment in den Augen weh, dann sehe ich auf Kaylas Rücken, die direkt vor mir steht. Erschrocken blicke ich auf die Hand in meiner, dann auf die Person, zu der sie gehört – Luca. Er zwinkert mir zu und lacht. Ich entreiße ihm meine Hand und stapfe tiefer in den Tunnel hinein, der sich vor uns erstreckt.
Am Ende gibt es noch eine Tür, dahinter einen kleinen Raum.
»Was ist das hier?«, fragt Kayla Luca, der noch immer breit grinst.
»Früher, als nur Menschen hier waren, da haben die Menschen einander bekriegt. Es gab Waffen, die weitaus mehr Schaden anrichten konnten, als die der Tesare. Hier unten haben die Menschen Zuflucht gesucht.« Luca lässt sich auf eines der zwei Betten sinken. »Die meisten Sachen funktionieren nicht mehr. Die Belüftung läuft jetzt über dieses Rohr.« Luca zeigt auf etwas, das von der Decke in den Raum ragt und aussieht wie ein Ofenrohr, so was gab es auch in dem Raum bei dem kleinen Bauernhof. »Damals haben die Menschen angefangen, solche Anlagen zurückzubauen, weil die Gefahr von Kriegen fast gebannt war. Wären noch mehr solcher Anlagen funktionstüchtig gewesen, als die Tesare kamen, hätten viel mehr Menschen überleben können. Die meisten dieser Bunker hatten Luftfilter, die auch gegen Viren wirksam waren.«
»Stimmt«, kommt es von Roland. »Deswegen haben wir die Anlagen, die noch intakt waren weitestgehend wieder in Betrieb genommen. Solange wir darauf achten, wen wir da reinlassen, sind wir da relativ sicher.« Roland wirft Luca einen traurigen Blick zu, räuspert sich und holt einen Stapel Decken aus einem Regal. Er verteilt sie auf den Betten, lässt sich auf das freie fallen und schließt die Augen. An seinem Mundwinkel haftet Blut. Es ist eingetrocknet, aber ich kann es deutlich sehen im Feuerschein.
Ich setze mich zu Luca auf das Bett. Kayla legt sich hinter mich.
»Sieht so aus, als müsste ich bei ihm schlafen«, meint Luca und runzelt die Stirn.
»Wir können uns auch abwechseln«, werfe ich ein.
»Nein, schon in Ordnung. Ich bin so fertig, mir ist egal, wo ich schlafe.« Er steht auf, legt sich neben Roland und wenig später lausche ich seinen tiefen Atemzügen.
Kaylas Husten erinnert mich daran, ihr ihre Medizin zu geben. Auch wenn ich nur noch wenig Hoffnung darin habe, aber vielleicht kann dieser ganze Kram sie noch ein wenig länger mobil halten. Nur, bis wir die Rebellen erreicht haben. Meine Sorgen um Kayla wachsen mit ihren Beschwerden. Mutter hat immer gesagt, spätestens nach zehn Tagen sollte eine Krankheit überstanden sein. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie lang
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