Tesarenland (German Edition)
das auf. »Ja«, sage ich und lege all meinen Zorn in meine Stimme.
Kayla liegt in ihrem Erbrochenen, als wir zurückkommen. Ich dränge die Tränen zurück. Ich will nicht, dass sie mitbekommt, wie sehr mich ihr Zustand belastet, also setze ich ein Lächeln auf. Luca hebt Kayla auf seine Arme und legt sie auf das andere Bett, damit ich Kaylas Bett säubern kann. Der saure Geruch steigt mir in die Nase und ich kämpfe mit dem Drang, mich selbst zu übergeben. Ich reinige die Matratze gründlich mit Bürste und Wasser, die Decken werfe ich auf einen Berg neben der Tür. Als ich fertig bin, schaue ich Luca ratlos an. Auf der feuchten Matratze wird Kayla nicht schlafen können.
»Sie kann in diesem Bett schlafen«, sagt er ernst. Er sitzt neben ihr und wiegt sie sanft in seinen Armen. Eigentlich sollte das meine Aufgabe sein, mich um Kayla zu kümmern, aber ich mag es, wenn Luca das macht. Für ihn scheint sie wirklich , wie eine kleine Schwester zu sein. Warum will er sie dann sterben lassen? Warum will er dann weiter zuschauen, wie sie leidet?
»Ich geh noch mal los und hol eine Matratze aus einem der anderen Unterschlupfe«, murmelt er und legt Kayla sanft hin.
»Was? Nein!«, werfe ich hastig ein.
Er sieht mit gerunzelter Stirn zu mir auf, während er sein Messer in seinem Hosenbund verschwinden lässt. Dann nimmt er einen schwarzen Gegenstand in die Hand und zeigt ihn mir. »Ich hab die hier .«
»Ja und?« Er tut gerade so, als sollte ich wissen, was das kleine schwarze Ding ist. Ich weiß natürlich schon, das es eine Waffe sein muss, aber nicht wie ihm dieses nur faustgroße Teil gegen die Monster da draußen helfen soll. Es sieht so unscheinbar aus.
»Das ist eine Pistole. Eine Halbautomatik. Sie lag im Regal von Unterschlupf 2.«
Ich sehe ihn weiter fragend an. Er schnalzt mit der Zunge und tritt von einem Bein auf das andere. »Damit kann ich einen Tesar aus einiger Entfernung erschießen. Sie funktioniert wie die Gewehre der Aufseher. Sie ist nur viel kleiner.« Dass sie kleiner ist sehe ich, weswegen ich stark an ihrer Wirksamkeit zweifle. Er holt etwas aus der Waffe. »Wenn man hier zieht, gibt es einen Knall und die hier fliegt in Höchstgeschwindigkeit hier vorne raus und dringt in den Körper des Tesars ein. Und wenn ich die richtige Stelle treffe, stirbt er«, murmelt er mehr zu sich selbst und in seinen Augen blitzt es.
Ich habe mich noch nie näher mit menschlichen Waffen beschäftigt. Roland hatte einen ganzen Rucksack voll mit, aber ich habe sie mir nicht angeschaut, weil mich diese Dinge nicht interessieren. Und ich hatte auch nicht wirklich Gelegenheit dazu, weil wir Rolands Eigentum im Wald bei der Bestie zurücklassen mussten. Ich betrachte das kleine goldene Ding auf Lucas Hand und bezweifle, dass es wirklich Schaden anrichten kann. Wahrscheinlich sind menschliche Waffen einfach nur laut und es steckt nicht viel dahinter. Aber wenn sie so gefährlich wie laut sind, dann unterschätze ich sie vielleicht.
»Du meinst, dieser Knall vorhin, das warst du ?«
»Du hast es gehört ?« Er schiebt die Waffe auch in seinen Hosenbund, sieht sich nach Kayla um und geht auf die Tür zu.
Ich dränge mich an ihm vorbei und verstelle ihm den Weg. »Du gehst nicht da raus.«
»Wir brauchen noch eine Matratze. Und am besten wird sein, ich verbrenn das hier .« Er zeigt auf den Berg Decken in der Ecke.
»Nein«, sage ich ernst. »Ich werde nicht allein hier zurückbleiben. Wenn dir dort oben was passiert, was wird dann aus uns? Was soll mit Kayla werden ?«
Er wirft mir einen traurigen Blick zu. Einen von denen, die meine Knochen immer in eine weiche Masse verwandeln und meinen Körper ungewollt erzittern lassen. Er steht ganz nah vor mir und sieht mir in die Augen. »Du hast recht. Wir werden uns einfach ein paar Decken auf den Boden legen. Morgen wird die andere Matratze wieder trocken sein.«
Erleichtert atme ich aus. Als ich vorhin vor dem Jäger geflohen bin, hat mir die Vorstellung, Luca könnte etwas passiert sein, Angst eingejagt. Erst habe ich es auf Kayla projiziert. Ich habe mir eingeredet, ich wolle nur nicht allein für sie sorgen müssen, wolle nicht mehr allein die Verantwortung für ihr Leben tragen. Jetzt kommt mir der Gedanke, dass es da noch einen anderen Grund gibt. Die Vorstellung, er könnte sterben, schnürt mir die Brust zu. Fast so heftig, wie bei den Gedanken an Kaylas Tod. Ich rede mir ein, dass es so ist, weil ich Angst habe, allein zu sein. Mutter ist nicht mehr
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