Tesarenland (German Edition)
erstaunlich gelassen. »Auch gut. Dann nehmen wir eben deinen Weg.«
Noch immer aufgebracht trample ich an ihm vorbei, ziehe die Taschenlampe aus meiner Jacke und schüttle sie demonstrativ fest. Im Vorbeigehen sehe ich Luca lächeln. Seit wir auf der Flucht sind, lächelt er öfters. In Kolonie D habe ich ihn immer nur ernst gesehen. In seinem Blick lag ständig eine Bitterkeit, die mir Angst gemacht hat. Jetzt weiß ich, warum er sich so verhalten hat. Ein bisschen kann ich es auch verstehen. Ich finde diesen neuen Luca besser, aber vielleicht hätte der alte Kayla nicht verraten. Trotzdem kann ich nicht ignorieren, dass der neue Luca etwas in mir auslöst, das sich schön anfühlt. Es bewirkt, dass ich ihn gerne in meiner Nähe habe, und dass ich ihn vermisse, wenn er nicht da ist.
Der neue Luca redet auch mehr. Und ich mag es, seine Stimme zu hören. Aber manchmal wünsche ich mir, den alten wieder, den schweigsamen. Aber eigentlich bin ich ganz froh, dass ich mit dem neuen unterwegs bin. In seiner Nähe fühle ich mich wohler.
»Dort runter?«, frage ich und bleibe vor der hohen Stufe stehen, unter der die rostigen Schienen liegen. Luca schließt zu mir auf und schaut mich an. In seinen Augen funkelt etwas. Ich glaube, er amüsiert sich über mich. Ich widerstehe der Versuchung, zu schlucken und springe, ohne zu zögern, nach unten. Meine Füße landen in einer Pfütze. Wasser spritzt nach allen Seiten. Ich bin stolz auf mich, denn ich erstarre nicht einmal für eine Sekunde. Ohne meine nassen Schuhe zu beachten, gehe ich weiter. Ich weiß nicht einmal, ob ich die richtige Richtung eingeschlagen habe. Aber bei nur zwei Richtungen, wie hoch kann da schon die Chance liegen, ausgerechnet die falsche zu erwischen. Da Luca mir folgt, habe ich mich wohl für die Richtige entschieden. Ich lächle selbstzufrieden in mich hinein.
»Also? Verrätst du mir, was du vorgehabt hast ?« Luca holt mich ein und gleicht sein Tempo dem meinen an. Ich bleibe abrupt stehen und leuchte ihm mit der Lampe ins Gesicht. Um seine Mundwinkel herum zuckt es schon wieder. Ich muss heute wirklich ein sehr erheiternder Mensch sein, ärgere ich mich.
»Ich wollte tun, wozu du dich geweigert hast .«
Lucas Lächeln erstarrt. Dieser Luca sieht wieder aus wie der aus der Kolonie. Sein Gesicht wirkt ernst, fast kalt. Ich kann ein Schaudern nicht unterdrücken.
»Du glaubst mir nicht.« Diesmal lässt er mich einfach stehen.
»Natürlich glaube ich nicht daran , dass meine Schwester der wandelnde Tod ist.« Ich hetze hinter ihm her. »Sei doch mal ehrlich. Wie hoch sind schon die Chancen, dass Kayla die gleiche Krankheit hat?«
»Die Tesare haben die Kinder getötet.« Luca ist stehen geblieben und wirft mir einen Blick zu, der genauso zornig wirkt wie seine Stimme. »Was denkst du warum?«
Gleichgültig ziehe ich die Schultern hoch. Es interessiert mich nicht. Ich will es nicht hören. Weiß ich schon, was er mir sagen will? Ich gehe einfach weiter, als könnte ich so seiner Antwort ausweichen.
»Sie wollten nicht, dass wir alle uns anstecken. Sie wussten, wie gefährlich die Krankheit ist.«
»Ich glaube dir nicht«, sage ich trotzig. »Haben die jemals versucht, uns zu schützen? Nein! Warum sollten sie jetzt damit anfangen ?«
Luca muss wissen, dass ich recht habe, denn er schweigt. »Egal was du sagst, ich werde das Risiko nicht eingehen.«
Wütend drehe ich mich zu ihm um und pralle fast mit ihm zusammen. Kurz bringt mich dieser Zusammenstoß aus der Fassung und ich vergesse, was ich sagen wollte. Ich trete einen Schritt zurück und kann gleich besser atmen. »Dann sag ihnen wenigstens wegen Roland Bescheid. Das bist du ihm schuldig .« Und ganz nebenbei könnte ich darauf achten, wie Luca das Funkgerät bedient und bei seinem nächsten Ausflug die Chance nutzen, selbst die Rebellen zu kontaktieren.
Einen Moment sehen wir uns stumm in die Augen. Mein Magen zieht sich zusammen.
»Also gut«, sagt er und drängt sich an mir vorbei.
»Sehr gut«, sage ich. Wenn Luca die Station anschaltet, werde ich dieses Mal ganz genau hinschauen, damit ich sie bei nächster Gelegenheit allein anschalten kann. »Leider ist die Funkstation leer, also der Generator.«
Luca dreht sich zu mir um. Erst mustert er mich von oben bis unten, dann bricht er in schallendes Lachen aus. »Du willst sagen, du wolltest Benzin besorgen ?«
Ich presse die Lippen aufeinander. Gerade eben wollte ich vergessen, dass ich wütend auf ihn bin, jetzt schiebe ich
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