Tessy und das Geheimnnis des Sexclubs
Minute, dann erhob sie sich und kletterte über den ungefähr einen Meter fünfzig hohen Zaun, wohlwissend, was Dirk von einer solchen Aktion halten würde und unangenehm beeindruckt, wie viel Mühe es ihr bereitete, diese Höhe halbwegs elegant, leise und schnell zu überwinden. Ihre fitnessgestählte Mutter würde ihr an dieser Stelle einen Vortrag über den Sinn regelmäßiger Bewegung, Dehnübungen und die richtige Ernährung halten. Aber Tessy schätzte die Vorträge ihrer Mutter schon im normalen Alltag nicht …
Geduckt und keuchend lief sie einige Meter. Die Haustür öffnete sich in dem Moment, als Tessy gerade hinter eines der baufälligen Gartenhäuser geschlüpft und in Deckung gegangen war. Von hier hatte sie eine bessere Sicht auf das Haupthaus, aus dem Eva und der Mann gerade traten. Sie hörte jetzt sogar ihre Stimmen.
„Also, noch einmal“, sagte Eva Gruber. „Ich fahre jetzt zurück in den Club, damit Konrad keinen Verdacht schöpft, und werde unauffällig die Lage checken. Du machst währenddessen hier weiter klar Schiff. Ich komme so schnell wie möglich zurück, und wir kümmern uns dann gemeinsam um den Rest.“
„Ja, alles klar.“
„Noch was, Daniel: Lass die Kleine in Ruhe. Leg dich am besten eine Stunde aufs Ohr – wir werden nachher lange unterwegs sein.“
„Ja, okay.“ Das klang genervt.
„Ich meine es ernst – lass sie in Ruhe! Es geht ihr nicht gerade berauschend gut. Ich will nicht, dass …“
„Schon gut, ich hab’s verstanden.“
Tessys Herz machte einen Sprung: Rhea lebte noch, auch wenn es ihr nicht blendend ging! Und nach Evas Worten zu urteilen, befand sie sich mit großer Wahrscheinlichkeit im Haus. Tessy atmete tief durch. Sie brauchte ganz schnell einen richtig guten Plan. Geh zurück zum Wagen, such dir eine Telefonzelle und ruf die Polizei an, befahl sie sich selbst. Das wäre vernünftig, souverän und der gefährlichen Situation angemessen.
Sie zögerte. Andererseits … Wer weiß, was passierte, während sie Hilfe zu holen versuchte. Wer weiß, ob der Typ ihr nicht doch was antat und wie schnell Eva Gruber wieder auftauchte, um dann zusammen mit ihrem Gefährten Rhea verschwinden zu lassen – womöglich endgültig … Außerdem konnte die Polizei ohne eingehende Prüfung der Gegebenheiten und Durchsuchungsbefehl nicht einfach ins Haus marschieren. Doch, bei Gefahr im Verzug schon …
Tessy schloss kurz die Augen und fuhr sich durchs Haar. Ihr war nur allzu klar, dass sie nach Argumenten suchte, um vor Ort zu bleiben und höchstpersönlich nach Rhea zu suchen. Professionell war etwas anderes. Na schön, ich prüfe, was hier los ist, und dann sehen wir weiter, rang sie sich einen Kompromiss ab. Dirk bringt mich um!
Eva Gruber setzte sich hinters Steuer, während ihr Komplize Daniel das Tor öffnete. Tessy fällte ihre Entscheidung entgegen aller Vernunft und schob weitere Gedanken an die Gefährlichkeit der Situation beiseite – die würden jetzt nur hinderlich sein. Sie verließ die Deckung genau in dem Augenblick, in dem der Wagen beim Losfahren eine Staubwolke aufwirbelte und Daniel Tessy den Rücken zuwandte, um das Tor wieder zu schließen. Sie rannte wie der Blitz ins Haus, versuchte sich innerhalb von Sekundenbruchteilen in einer geräumigen Diele zu orientieren und wählte dann instinktiv den Weg die Treppe hinauf.
Sie hetzte ins Obergeschoss, um sich ein Versteck zu suchen. Zwei Zimmertüren waren geöffnet – ein Bad, ein Schlafzimmer. Eine weitere Tür war geschlossen, aber nicht abgesperrt. Tessy lauschte einen Moment mit angehaltenem Atem und hörte, dass Daniel das Haus wieder im Haus war. Er pfiff. Sie betrat das Zimmer und zog leise die Tür heran. Hektisch atmend sah sie sich nach einem Versteck um: Kleiderschrank, Kommode, Schreibtisch, eine Sitzecke, im Hintergrund eine Wendeltreppe, die ins Dachgeschoss führte. Scheiße!
Tessys Herz raste, als sie Daniels Schritte im oberen Flur hörte. Sie kletterte hinter den Schreibtisch und betete, dass der Mann nicht ausgerechnet heute auf die Idee kommen würde, seine Steuererklärung zu machen oder nach Bankbelegen zu suchen...
* * *
Die Frau war neu. So wie letztens der Mann. Rhea schüttelte verwirrt den Kopf, der sich taub und schwer anfühlte und groß wie ein Heißluftballon. Was wollte die von ihr? Lass mich schlafen, dachte sie, aber den Gefallen tat sie ihr nicht. Ganz im Gegenteil.
„Was haben die Schweine dir gegeben?“, flüsterte die Frau und schüttelte sie
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