Tessy und das Geheimnnis des Sexclubs
Müggelsee unterwegs waren. Sie gab sich Mühe, immer ein oder sogar zwei Wagen zwischen sich und dem BMW zu lassen, um ja nicht ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Es war eine kühle Nacht, aber Tessy schwitzte. Wenn sie rauchen würde, hätte sie für die Fahrt eine ganze Schachtel gebraucht.
Hinter der Wuhlheide hätte sie die beiden fast verloren, um sie jedoch an der nächsten Ampelkreuzung glücklicherweise wieder einzuholen. Zweimal versuchte Tessy unterwegs den Kommissar zu erreichen – ohne Erfolg. Sie hinterließ ihm auf seiner Mobilbox die Nachricht, dass sie Eva Gruber verfolgte und sich wieder melden würde, wenn klar war, wohin genau die nächtliche Fahrt ging.
Als der BMW auf den Müggelseedamm abbog, verlangsamte Tessy ihr Tempo und blieb soweit wie möglich zurück, da um diese nächtliche Stunde nur wenige andere Autos unterwegs waren. Ihre Pulsfrequenz ähnelte der eines Vierhundertmeter-Läufers, ihr Gaumen war trocken. Hinter dem Museum im Wasserwerk Friedrichshagen leuchteten die Bremslichter des BMW auf und verschwanden plötzlich in der Dunkelheit. Tessy gab wieder etwas mehr Gas, um dann erneut abzubremsen und die Straße genau zu inspizieren. Mit Mühe erkannte sie einen kleinen Feldweg, Bäume, Gebüsch, vielleicht eine Pferdekoppel. In der Ferne waren die Rücklichter des Wagens noch kurz zu sehen, bevor sie erloschen.
Tessy stellte ihr Auto am Straßenrand ab. Sie war sicher, dass der schmale Pfad der Zufahrtsweg für ein abgelegenes und seenahes Grundstück war. Irgendwo ganz in der Nähe befand sich Rhea, davon war sie überzeugt. Es wäre schlau und umsichtig, die Polizei anzurufen, kurz die Lage zu schildern, auf deren Eintreffen zu warten und ihnen das weitere Vorgehen zu überlassen, statt auf eigene Faust loszuziehen.
Aber Rhea war in großer Gefahr – auch daran hegte Tessy insbesondere nach den jüngsten Geschehnissen keinerlei Zweifel –, und es konnte zu spät sein, bis man ihre Erörterungen überprüft hatte und einen Wagen losschickte, argumentierte sie im Stillen. Sie musste sofort in Erfahrung bringen, was hier los was und welche Möglichkeiten es gab, der jungen Frau zu helfen. Die Polizei konnte sie dann immer noch alarmieren.
Die Detektivin steckte ihr Handy ein, nachdem sie Hanter eine weitere SMS geschrieben hatte, schloss den Wagen ab und ging los. Das Gefühl der weichen Knie ignorierte sie einfach. Der Weg führte bereits nach wenigen Metern in rabenschwarze Dunkelheit. Irgendwo in der Ferne konnte sie eine Hausbeleuchtung ausmachen. Sie schlich langsam näher. Ein Käuzchen schrie, ein anderer Nachtvogel antwortete. Tessy fröstelte.
Der Pfad endete an einem eingezäunten Grundstück, auf dem mehrere Gartenhäuser standen, die einen verlassenen und unbewohnten Eindruck machten. Im Näherkommen erkannte Tessy, dass es sich tatsächlich um abbruchreife Buden handelte. Lediglich das Haus weiter unten am Wasser wirkte neu, außerdem war es groß und erleuchtet.
Wahrscheinlich haben die Eigentümer eine ehemalige Laubenkolonie gekauft und sind dabei, sich ein beeindruckendes und sehr einsam gelegenes Feriendomizil zu schaffen, das zugleich als Sexparadies genutzt wird, überlegte Tessy, als sie über den schmiedeeisernen Zaun blickte. Weit und breit keine Nachbarn. Keine Zeugen. Wie geschaffen für Leute, die es rustikal und ausschweifend mochten oder Gespielinnen gegen ihren Willen festhielten.
Der BMW stand mit geöffneten Türen vor dem Haus. Hinter mehreren Fenstern brannte Licht. Als die Haustür aufging, duckte Tessy sich rasch hinter ein Gebüsch. Ein Mann trat heraus und öffnete den Kofferraum, in dem er zwei Taschen verstaute, bevor er eilig wieder im Haus verschwand.
Scheiße, dachte Tessy, das sieht verdammt nach Aufbruch aus. Ob der Mann der Typ aus dem Video war, konnte sie auf die Entfernung nicht feststellen, aber das war im Moment ohnehin nebensächlich. Sie starrte durch die Zweige und zückte ihr Handy. Sie musste die Polizei benachrichtigen, bevor hier die Vögel ausflogen, alle Beweise vernichtet waren und Rhea womöglich …
Das Display leuchtete kurz auf und ermattete dann, um schließlich in trostloser Schwärze und Ruhe zu versinken. Nein, dachte Tessy, das glaube ich jetzt nicht – der verdammte Akku ist schon wieder leer! Das kommt davon, wenn man ständig im Internet herumsurft und kein Ladekabel dabei hat. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht laut und unbeherrscht zu fluchen. Und jetzt?
Sie wartete noch eine halbe
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