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Test: Phantastische Erzahlungen

Test: Phantastische Erzahlungen

Titel: Test: Phantastische Erzahlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Psychose … doppelter Selbstmord durch einen Anfall von Wahnsinn …«
      »Unfug«, sagte der Chef. »Ich habe Savage gekannt. Von den Alpen her. Er kann sich nicht geändert haben. Wirklich nicht. In den Zeitungen standen Phantastereien. Du kannst den Bericht der gemischten Kommission durchlesen. Hör zu! Solche Jungs wie du sind im Prinzip mit der gleichen Genauigkeit untersucht wie die Piloten, aber sie haben noch keine Diplome, dürfen also nicht f iegen. Außerdem mußt du sowieso das Ferienpraktikum hinter dich bringen. Wenn du einverstanden bist, kannst du morgen f iegen.«
      »Wer wird der andere sein?«
      »Das weiß ich nicht. Irgendein Astrophysiker. Schließlich braucht man dort Astrophysiker. Ich fürchte zwar, daß er an dir keine Freude haben wird, aber vielleicht lernst du noch ein bißchen Astrographie dazu. Weißt du denn, um was es geht? Die Kommission ist zu der Überzeugung gelangt, daß es ein Unfall war – aber ein gewisser Schatten von Unklarheit ist geblieben. Es muß dort etwas Unbegreif iches geschehen sein. Bis jetzt ist man noch nicht dahintergekommen, und deshalb hätte man dort gern einen Mann mit der psychischen Qualif kation eines Piloten – einen wenigstens. Ich sah keinen Grund zur Ablehnung. Andererseits wird sich dort bestimmt nichts Besonderes ereignen. Eines ist klar: Du mußt Augen und Ohren aufsperren, aber das bedeutet nicht, daß wir dich als Detektiv hinschikken. Niemand rechnet damit, daß du zusätzlich Umstände aufdecken könntest, die jenen Unfall auf lären. Das ist nicht deine Aufgabe … Ist dir schlecht?«
      »Wie bitte? Nein«, erwiderte Pirx.
      »Ich dachte. Meinst du, daß es dir gelingen wird, dich vernünf ig zu verhalten? Denn dir ist einiges leider schon zu Kopf gestiegen. Ich überlege …«
      »Ich werde mich vernünf ig verhalten«, sagte Pirx entschieden.
      »Ich bezweif e es. Ich schicke dich hin, aber ich mache mir keine Illusionen. Wäre nicht dieser erste Platz …«
      »Das Bad!« sagte Pirx mit Entdeckermiene.
      Der Chef tat, als habe er nichts gehört. Er reichte ihm zuerst die Papiere und dann die Hand.
      »Du startest morgen um acht. Nimm sowenig Sachen mit wie möglich. Im übrigen warst du schon mal dort, du kennst dich also aus. Hier ist der Flugschein und hier ein reservierter Platz für die Transgalaktik. Du f iegst bis LunaHauptstation. Von dort wird man dich weiterschleusen.«
      Er sagte noch etwas. Ein paar freundliche Worte auf den Weg? Ein Abschiedswort? Pirx wußte es nicht. Er hörte nichts. Er konnte nichts hören, denn er war schon weit weg, auf der »anderen Seite«. In seinen Ohren hallte das Donnern der Triebwerke, in seinen Augen standen die toten weißen Flammen der Mondfelsen, und auf seinem ganzen Gesicht lag ein Staunen – das gleiche Staunen wie bei den beiden Kanadiern, die auf so rätselhaf e Weise umgekommen waren. Er machte kehrt und stolperte über einen großen Globus. Die Stufen nahm er in zwei Sprüngen, als wäre er bereits auf dem Mond, wo nur ein Sechstel der irdischen Schwerkraf herrscht. Vor dem Gebäude wäre er fast unter ein Auto geraten, das mit einem so lauten Quietschen bremste, daß die Leute stehenblieben. Aber auch das bemerkte er nicht. Zum Glück konnte der Chef die Anfänge seines »vernünf igen Verhaltens« nicht sehen, denn er war zu seinen Papieren zurückgekehrt.

    In den nächsten vierundzwanzig Stunden geschahen mit, an und um Pirx so viele Dinge, daß er sich fast nach dem salzigen Wasserbad zurücksehnte, in dem sich absolut nichts ereignet hatte.
      Bekanntlich schadet dem Menschen sowohl ein Zuwenig als auch ein Zuviel an Eindrücken, aber Pirx kam nicht dazu, lange darüber nachzudenken. Den Bemühungen des Chefs, die Aufgabe zu bagatellisieren, ja als lächerlich hinzustellen, war kein Erfolg beschieden – Pirx ließ sich nicht irremachen. Er bestieg das Flugzeug mit einer Miene, daß die hübsche Stewardeß instinktiv einen Schritt zurückwich – was ein völliges Mißverständnis war, denn er hatte sie überhaupt nicht bemerkt. Er schritt gewissermaßen an der Spitze einer eisernen Kohorte, setzte sich wie weiland Wilhelm der Eroberer in den Sessel, kam sich vor wie ein kosmischer Erlöser der Menschheit, ein Wohltäter des Mondes, ein Entdecker schrecklicher Geheimnisse, ein Bändiger der Ungeheuer im »Jenseits« – all das aber erst in Zukunf , in spe. Dieses »in spe« trübte seine Stimmung keineswegs – im Gegenteil: Es erfüllte ihn

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