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Test: Phantastische Erzahlungen

Test: Phantastische Erzahlungen

Titel: Test: Phantastische Erzahlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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mich duzt, steht die Sache nicht so schlecht, dachte Pirx. Er sagte, alles sei in bester Ordnung.
      »Du hast gebadet?«
      Pirx bejahte. Was soll das? fragte er sich. Das Mißtrauen verließ ihn nicht. Vielleicht, weil ich so rüde mit dem Assistenten umgesprungen bin …
      »Es gibt da eine freie Stelle für das Praktikum, auf Mendelejew. Weißt du, wo das liegt?«
      »Ja, das ist die astrophysikalische Station auf der ›anderen Seite‹«, erwiderte Pirx. Er war ein wenig enttäuscht, denn er hatte im stillen etwas anderes erhof , und er hatte diese Hof nung nie laut werden lassen, um ihre Verwirklichung nicht zu hintertreiben. Er hatte mit etwas anderem gerechnet – mit einem Flug. Es gab so viele Raketen, so viele Planeten, er aber sollte eine gewöhnliche stationäre Aufgabe auf der »anderen Seite« bekommen … Einst war es noch sehr modern, die entgegengesetzte, von der Erde aus unsichtbare Hälf e des Mondes als die »andere Seite« zu bezeichnen, aber inzwischen redeten ja alle so.
      »Richtig. Weißt du, wie sie aussieht?« fragte der Chef. Er hatte einen sonderbaren Gesichtsausdruck, er schien etwas in petto zu haben. Pirx zögerte eine Weile, er wußte nicht, ob er lügen sollte.
      »Nein«, sagte er.
      »Wenn du die Aufgabe annimmst, bekommst du die gesamte Dokumentation.« Der Chef legte die Hand auf einen Stoß Papiere.
      »Ich brauche nicht anzunehmen?« fragte Pirx mit unverhohlenem Eifer.
      »Nein. Die Aufgabe ist gefährlich – das heißt, sie kann gefährlich werden …«
      Er wollte noch etwas hinzufügen, unterließ es aber. Er hielt absichtlich inne, um sein Gegenüber genauer zu mustern. Pirx starrte ihn erstaunt an. Langsam, feierlich holte er Atem – und so blieb er denn sitzen, als habe er vergessen, weiterzuatmen. Er errötete wie eine Jungfer, der ein Prinz erschienen ist, und wartete auf weitere betörende Worte. Der Chef räusperte sich.
      »Nun ja«, sagte er ernüchtert. »Ich habe übertrieben. Auf jeden Fall irrst du dich.«
      »Wie … Wie bitte?« stammelte Pirx.
      »Ich behaupte, daß du nicht der einzige Mensch auf Er

    sich von dir keine Rettung – vorläuf g nicht.«
      Pirx, rot wie eine Rübe, quälte sich, ohne zu wissen, was er mit seinen Händen anfangen sollte. Der Chef, dessen Methoden bekannt waren und der ihm eben noch eine himmlische Vision des Helden Pirx vorgeführt hatte – Pirx sah sich bereits nach vollbrachter Heldentat durch die auf dem Kosmodrom versammelte Menge hindurchschreiten, die voller Ehrfurcht f üsterte: »Das ist er! Das ist er!« –, schien sich plötzlich verwandelt zu haben. Er reduzierte die Ausmaße des Auf rags auf ein ganz gewöhnliches Praktikum und erklärte schließlich: »Die Mitarbeiter der Station rekrutieren sich aus Astronomen, die auf die ›andere Seite‹ gefahren werden, damit sie dort ihren Monat absitzen – weiter nichts. Die normale Arbeit verlangt dort nichts Außergewöhnliches. Deshalb wurden die Kandidaten gewöhnlichen Tests der ersten und zweiten Gruppe unterzogen. Jetzt, nach diesem Unfall, brauchen wir genauer geprüf e Menschen. Am geeignetsten wären natürlich Piloten, aber du siehst ja selber ein, daß man Piloten nicht in eine gewöhnliche Beobachtungsstation stekken kann …«
      Pirx wußte es. Nicht nur der Mond, sondern das gesamte Sonnensystem verlangte Piloten, Astronauten, Navigatoren – es gab ihrer immer noch zuwenig. Was war das nur für ein Unfall, den der Chef erwähnt hatte? Sinnigerweise schwieg er sich darüber aus.
      »Die Station ist sehr klein. Sie wurde ungeschickt angelegt, unterhalb des nördlichen Gipfels, anstatt auf dem Boden eines Kraters. Mit der Lokalisierung gab es Schwierigkeiten, anstelle der selenodäsischen Vermessung war das Prestige ausschlaggebend – du wirst später davon erfahren. Jedenfalls stürzte im vergangenen Jahr ein Teil der Mauer ein und zerstörte den einzigen Weg. Der Zugang ist jetzt ziemlich schwierig und nur tagsüber möglich. Man projektierte eine Seilbahn, die Arbeiten wurden jedoch abgebrochen, denn es liegt bereits die Disposition vor, im kommenden Jahr die Station tiefer zu verlegen. So ist die Station praktisch nachts von der Welt abgeschnitten. Die Funkverbindung bricht ab … Warum?«
      »Wie bitte?«
      »Weshalb, frage ich, bricht die Funkverbindung ab?«
      Das war der Chef, wie er leibte und lebte. Ein Auf rag, eine harmlose Unterhaltung hatten sich plötzlich in ein Examen verwandelt.

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