Test: Phantastische Erzahlungen
oder zusammenzog. Diese phosphoreszierende Bewegung zeigte an, daß Roget zwar bewußtlos war, aber noch immer lebte. Das Pulsieren wurde schwächer und schwächer. Keiner der Männer konnte die Station verlassen. Man saß, eng aneinandergedrängt, und wartete auf den Tod des Unglücklichen.
Roget atmete noch zwei Stunden. Dann f ackerte das grüne Licht im magischen Auge, schrumpf e zusammen und verharrte. Die Leiche fand man erst dreißig Stunden später, sie war zu Stein erstarrt. Der Leib war so zerfetzt, daß man nicht einmal den Skaphander öf nete. Man begrub den Toten in diesem halbzerdrückten metallischen Futteral wie in einem Sarg.
Später wurde ein neuer Weg angelegt; es war der Felspfad, den Pirx und Langner gegangen waren. Die Kanadier bereiteten sich darauf vor, die Station zu verlassen – aber ihre hartnäckigen englischen Kollegen lösten das Problem der Nachschublieferung auf eine Weise, wie sie zum erstenmal projektiert worden war, als man sich anschickte, den Mount Everest zu bezwingen. Sie wurde damals als irreal abgelehnt, aber nun, auf dem Mond, erwies sie sich als real.
Die Nachricht von der Katastrophe lief in unzähligen, of widersprüchlichen Versionen um die Erde. Schließlich legte sich der Lärm, und die Tragödie ging in die Annalen der Mond-Eroberung ein. Auf der Station wechselten die diensthabenden Astrophysiker einander ab. Sechs Mond tage und Mondnächte vergingen, und es schien, daß der schwergeprüf e Ort keine Sensation mehr hergeben würde. Eines Tages, im Morgengrauen, stellte man in der Ziolkowski-Station fest, daß auf Mendelejew niemand antwortete. Auch diesmal rückte ein Trupp aus, um das unbegreif iche Schweigen zu ergründen. Die Männer landeten mit einer Rakete zu Füßen des Lawinengeländes am Adlerf ügel.
Als sie die Kuppel erreichten, war der Krater noch in völlige Finsternis gehüllt. Lediglich unter dem Gipfel sprühte der stählerne Bau im Licht der fast waagerechten Sonnenstrahlen. Die Ausgangsklappe war weit geöf net. Darunter, zu Füßen der Leiter, lag Savage – in einer Haltung, als sei er von den Sprossen geglitten. Er war erstickt. Das Panzerglas seines Helms war geborsten. Später entdeckte man an der Innenf äche seiner Handschuhe winzige Spuren von Gesteinsstaub. Man entnahm daraus, daß er gerade von einer Kletterpartie zurückgekehrt war, aber man wußte es nicht genau – die Spuren konnten auch älter sein. Den zweiten Kanadier, Challiers, fand man erst nach einer systematischen Durchsuchung aller umliegenden Steige und Rinnen. Die Rettungsmannschaf , die sich abgeseilt hatte – die Seile waren dreihundert Meter lang –, förderte die Leiche am Sonnentor zutage. Sie lag etwa fünfzig Schritt von der Stelle entfernt, an der Roget umgekommen war.
Die Versuche, die Unfälle zu rekonstruieren, erschienen zunächst hof nungslos. Niemand konnte eine Hypothese aufstellen, die einigermaßen wahrscheinlich war. Eine gemischte kanadisch-englische Kommission untersuchte das Unglück an Ort und Stelle.
Challiers’ Uhr war um zwölf stehengeblieben. Mittags? Um Mitternacht? Man wußte es nicht. Savages Uhr stand auf zwei. Genaue Untersuchungen – sie wurden in der Tat mit peinlicher Genauigkeit durchgeführt – ergaben, daß die Feder völlig entspannt war. Die Uhr war also sicherlich nicht stehengeblieben, als Savage starb, sondern sie war noch eine Zeitlang weitergegangen.
In der Station herrschte die gewohnte Ordnung. Das Tagebuch, in das alle wesentlichen Ereignisse eingetragen wurden, enthielt nichts, was auch nur ein Quentchen Licht in das Dunkel bringen konnte. Pirx studierte Eintragung um Eintragung. Sie waren lakonisch abgefaßt. Um die und die Zeit wurden astrographische Messungen vorgenommen, soundso viele Platten wurden unter diesen und jenen Bedingungen belichtet, die und die Beobachtungen wurden durchgeführt – nicht eine der stereotypen Notizen bezog sich auf das, was Challiers und Savage zugestoßen war.
Im Innern der Station herrschte nicht nur Ordnung: Alles zeugte davon, daß der Tod die Bewohner überrascht hatte. Man fand ein aufgeschlagenes Buch mit Randnotizen von Challiers’ Hand; es lag unter einem zweiten, damit die Seiten nicht umblätterten, unter der noch brennenden Leselampe. Daneben fand man die Tabakspfeife; die glühende Asche war herausgefallen und hatte den Kunststof elag der Tischplatte leicht angesengt. Savage hatte gerade das Abendessen bereitet. In der Küche standen
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