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Test: Phantastische Erzahlungen

Test: Phantastische Erzahlungen

Titel: Test: Phantastische Erzahlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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und Pirx verstand ihn nun besser. Seine ruhigen Bewegungen resultierten nicht aus Stumpfsinn oder Gleichgültigkeit, und diese tote Welt erdrückte ihn nicht – sie diente ihm. Er war hergekommen, weil er es so gewollt hatte. Er kannte kein Heimweh, denn sein Zuhause waren Spektogramme, Ergebnisse von Berechnungen und die Orte, an denen sie entstanden. Er war überall zu Hause, wo er seinen Wissensdurst befrie digen konnte; er wußte, weshalb er lebte. Pirx hätte es nie gewagt, diesem nüchternen Menschen zu erzählen, daß er von romantischen Heldentaten träumte. Langner würde ihn anhören, ohne zu lächeln, und würde ohne Kommentar zu seiner Arbeit zurückkehren. Pirx beneidete ihn um diese Sicherheit, um dieses Selbstvertrauen, aber er spürte zugleich seine Fremdheit. Sie hatten sich nichts zu sagen, aber sie mußten gemeinsam diese beginnende Nacht durchstehen. Und auch den Tag danach, und dann noch eine Nacht … Er ließ seine Augen durch die Kabine schweifen, als sähe er sie zum erstenmal. Konkave Wände mit Plastbeschlägen … Ein hermetisch verschlossenes Fenster … Deckenleuchten … Ein paar farbige Reproduktionen zwischen den Regalen mit Fachliteratur und ein schmales, eingerahmtes Schild, auf dem die Namen all derer eingetragen waren, die vor ihnen in diesem Raum weilten. In den Ecken leere Sauerstof f aschen, Konservenkisten, gefüllt mit Bruchstücken farbiger Mineralien, leichte Metallstühle mit Nylonsitzen … Ein kleiner Tisch mit einer Lampe … Durch die halb geöf nete Tür sah man die Apparatur der Funkstation.
      Langner schuf Ordnung im Schrank, der voll von fotograf schen Klischees war. Pirx trat hinaus. Von dem kleinen Gang ging es links zur Küche, geradeaus zur Kammer am Ausgang, und rechts lagen zwei winzige Zimmer. Pirx betrat das seine. Es enthielt ein Bett, einen Klappstuhl, ein Schreibpult, das man in die Wand schieben konnte, und ein kleines Regal. Die Decke war schräg wie in einer Mansarde und halbkugelig – entsprechend der Biegung der äußeren Panzerung.
      Pirx kehrte in den Flur zurück. Die Tür der Druckkammer hatte abgerundete Ecken, die Ränder waren mit hermetisch abdichtendem Plast eingefaßt. Er sah ein Speichenrad und eine kleine Lampe, die auf euchtete, wenn in der Druckkammer bei of ener Außenklappe Vakuum herrschte. Das Lämpchen brannte nicht. Als er die kleine Tür öf nete, f ammten automatisch zwei andere Lampen auf. Er erblickte einen engen Raum mit kahlen Metallwänden. In der Mitte stand eine kleine Leiter, sie führte zur Klappe in der Decke. Unter der letzten Sprosse war noch eine mit Kreide umrissene Kontur zu erkennen, sie war schon halb verwischt: An dieser Stelle hatte man Savage gefunden – zusammengekrümmt und auf der Seite liegend. Man konnte ihn nicht hochheben, denn er war mit seinem eigenen Blut, das ihm aus Mund und Nase gedrungen war, an der rauhen Klappe festgefroren. Pirx betrachtete diese Kreidemarkierung, die kaum noch an die Silhouette eines Menschen erinnerte. Dann wich er zurück, verschloß die hermetische Tür und hob den Kopf: Er hörte Schritte. Langner war die Leiter hinaufgestiegen, die an der entgegengesetzten Seite des Flurs stand, und machte sich im Observatorium zu schaf en. Pirx steckte den Kopf durch die runde Öf nung in der Decke und erblickte ein verhülltes Teleskop, das einem kleinen Geschütz ähnelte, sowie Kameras der Astrographen und zwei größere Apparate – eine Wilsonkammer und eine Ölkammer mit Vorrichtungen zum Fotograf eren von Spuren.
      Die Station diente der Erforschung kosmischer Strahlen, und die Klischees, die dazu benutzt wurden, lagen überall herum: Ihre orangefarbenen Päckchen befanden sich zwischen Büchern, unter den Regalen, in den Schubladen, neben den Betten, sogar in der Küche. Und das war alles? Eigentlich ja – es sei denn, man zählte die großen Wasser- und Sauerstof ehälter hinzu, die, fest in das Mondgestein eingelassen, unter dem Fußboden ruhten.
      Über der Tür eines jeden Raumes befand sich ein rundes Kontrollgerät, das die Kohlendioxydmenge anzeigte. Darüber hing das perforierte Sieb der Klimaanlage, die lautlos arbeitete. Sie saugte Luf an, reinigte sie vom Kohlendioxyd, gab die nötige Menge Sauerstof hinzu, regulierte die Feuchtigkeit und preßte die Luf in die Kabinen zurück. Pirx freute sich über jeden Laut, der ihn aus dem Observatorium erreichte. Wenn die Geräusche verstummten, wuchs die Stille ins Unermeßliche, so daß er das Rauschen seines

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