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Test: Phantastische Erzahlungen

Test: Phantastische Erzahlungen

Titel: Test: Phantastische Erzahlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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tun, er hatte eine Beschäftigung, die ihn völlig in Anspruch nahm. Nun, da er die Station und ihre Umgebung kannte, ging er nämlich noch einmal daran, alle Dokumente über den Unfall zu studieren.
      Die Katastrophe hatte sich vier Monate nach Inbetriebnahme der Station ereignet. Entgegen allen Erwartungen war sie nicht im Morgengrauen oder in der Dämmerung vor Beginn der Mondnacht eingetreten, sondern mittags. Drei Viertel der überhängenden Platte des Adlerf ügels stürzten ohne vorherige Anzeichen ein. Vier Männer waren Augenzeugen des Unglücks; sie hatten in der Station auf eine Nachschubkolonne gewartet.
      Spätere Untersuchungen ergaben, daß die tiefen Einschnitte im Adlerf ügel den kristallenen Gesteinsboden beschädigt und sein telefonisches Gleichgewicht gestört hatten. Die Engländer schoben die Schuld den Kanadiern zu, die Kanadier den Engländern. Die Loyalität der Partner des Britischen Commonwealth kam darin zum Ausdruck, daß beide Seiten gef issentlich die Warnungen Professor Animzews verschwiegen. Aber wie es sich auch verhielt – die Fol gen der Katastrophe waren tragisch. Die vier Männer in der Station waren kaum eine Meile vom Schauplatz des Unglücks entfernt. Sie sahen, wie sich die blendend weiße Wand teilte, wie das ganze System der Keile und Lawinenschutzmauern barst, wie der Weg und die ihn stützende Formation fortgetragen wurden und ins Tal sanken. Das Tal glich über dreißig Stunden lang einem brodelnden Meer – innerhalb weniger Minuten hatte das in Aufruhr geratene Geröll die gegenüberliegende Wand des Kraters erreicht.
      Im Bereich der Zerstörung hielten sich zwei Transporter auf. Einer der beiden wurde augenblicklich von einer zehn Meter dicken Geröllschicht begraben – man fand nie wieder eine Spur von ihm. Der zweite versuchte zu entkommen. Er befand sich bereits am oberen Wegabschnitt, also außerhalb des Lawinenstroms, aber ein gewaltiger Quader übersprang die Reste der Schutzmauer und fegte ihn in den dreißig Meter tiefen Abgrund. Der Fahrer öf nete im letzten Augenblick die Luke und sprang in das tobende Geröll. Er allein überlebte – aber er überlebte seine Gefährten nur um wenige Stunden, und diese Stunden wurden für alle anderen zur Hölle. Jener Mann, ein kanadischer Franzose namens Roget, blieb bei vollem Bewußtsein und rief aus dem Innern der weißen Wolke, die den ganzen Boden des Kraters bedeckte, um Hilfe. Sein Funkempfänger war beschädigt, doch der Sender funktionierte. Es war nicht möglich, ihn zu f nden. Die Funkwellen brachen sich an den Felsblöcken und wurden mehrfach ref ektiert. Die Blöcke hatten die Größe von mehrgeschossigen Häusern – die Men schen bewegten sich in dem Labyrinth, in dem die weiße Staubmilch brodelte, wie in den Ruinen einer Stadt. Alle Versuche, den Verunglückten anzupeilen, führten in die Irre. Durch den starken Eisensulf dgehalt des Gesteins war Radar wirkungslos. Nach einer Stunde, als am Sonnentor ein zweiter Steinfall niederging, wurde die Rettungsaktion abgebrochen. Die zweite Lawine war nicht groß, aber man befürchtete, daß sie weitere Einbrüche ankündigte. Man wartete also. Rogets Stimme war noch immer zu hören, besonders deutlich war sie auf der Station zu vernehmen. Der steinerne Kessel, in dem Roget stak, wirkte wie ein Ref ektor. Nach drei Stunden kam Hilfe von der Ziolkowski-Station. Die Männer benutzten Raupenschlepper, doch die richteten sich auf dem lockeren Hang steil auf und drohten umzukippen – infolge geringerer Schwere ist der Neigungswinkel der Geröllhalden auf dem Mond größer als auf der Erde. Die Rettungsmannschaf en wurden dorthin beordert, wo die Raupenfahrzeuge nicht weiterkamen. Sie durchkämmten dreimal das Gelände der Einsturzstelle. Einer der Männer stürzte in einen Spalt, und nur durch den sofortigen Transport zur Ziolkowski-Station und unverzügliche ärztliche Behandlung gelang es, ihn zu retten. Niemand zog sich zurück, denn man hörte noch immer Rogets Stimme, die allmählich schwächer wurde.
      Roget verstummte erst fünf Stunden nach dem Unfall, aber auch als er schwieg, wußte man, daß er noch lebte. Jeder Skaphander hatte außer dem Sprechfunk einen automatischen Miniatursender, der mit dem Sauerstof gerät verbunden war. Jeder Atemzug wurde durch elektromagne tische Wellen übermittelt und von einem besonderen Gerät auf der Station registriert – einem magnetischen Auge, das sich wie ein grün leuchtender Schmetterling ausbreitete

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