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Testobjekt Roter Adler

Testobjekt Roter Adler

Titel: Testobjekt Roter Adler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K. H. Scheer
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glaub­te er, noch­mals ei­ne Gna­den­frist von et­wa vier­und­zwan­zig Stun­den ge­won­nen zu ha­ben.
    Die ers­ten bei­den Ta­ge hat­te er um sein Le­ben ge­bet­telt und mich an­ge­fleht, den Rich­tern, die sei­ne Be­weg­grün­de zu den Mas­sen­mor­den in kei­ner Wei­se ver­stan­den hät­ten, ei­ne Be­gna­di­gung ab­zu­rin­gen. Er hat­te ver­sucht, we­nigs­tens mich von der wis­sen­schaft­li­chen Not­wen­dig­keit sei­ner Un­ta­ten zu über­zeu­gen.
    Ich hat­te ab­ge­lehnt, da­ge­gen aber von ihm die vol­le Wahr­heit ge­for­dert. Er hat­te sich in der Tat an die Wahr­heit ge­hal­ten. Er war in­tel­li­gent ge­nug, um zu wis­sen, daß Be­schö­ni­gun­gen ir­gend­wel­cher Art zweck­los wa­ren. Ihm konn­te nur noch die Be­gna­di­gung hel­fen, die aber auf Grund der eu­ro­päi­schen Ge­set­ze in die­sem Fal­le aus­ge­schlos­sen war.
    Ei­ne mei­ner Fra­gen hat­te er je­doch falsch be­ant­wor­tet. Das war ges­tern ge­we­sen, am 3. Ju­ni.
    »Dr. Van Haet­lin«, sprach ich ihn an, »warum be­haup­ten Sie, sich mit Pro­fes­sor Bul­mers ge­duzt zu ha­ben?«
    Er schau­te mich er­neut fas­sungs­los an. Sein gut­ge­schnit­te­nes, männ­lich schö­nes Ge­sicht mit dem aus­ge­präg­ten Kinn­grüb­chen spann­te sich. Er hat­te längst be­merkt, daß ich je­de un­wah­re Aus­sa­ge spä­tes­tens am nächs­ten Ta­ge wi­der­le­gen konn­te. Das führ­te er ver­ständ­li­cher­wei­se auf die ex­ak­ten Re­cher­chen der GWA zu­rück. Er hat­te kei­nen Ver­dacht ge­schöpft und ahn­te nicht, daß er ei­nem Te­le­pa­then ge­gen­über­saß, der ihn tat­säch­lich bes­ser kann­te als er sich selbst. Er ver­such­te im­mer noch, sich selbst zu täu­schen, sich ei­ne Hoff­nung vor­zu­gau­keln, die sich nie­mals be­wahr­hei­ten konn­te. Re­ling wür­de ihn mit Ein­ver­ständ­nis der Eu­ro­pä­er frag­los auf Hen­der­won-Is­land hin­rich­ten las­sen; zwar nicht mit dem Fall­beil, son­dern von ei­nem mi­li­tä­ri­schen Exe­ku­ti­ons­kom­man­do der GWA.
    »Ge­duzt?« stam­mel­te er. »Ich … ha­be ich be­haup­tet, ich …?«
    »Ja«, un­ter­brach ich ihn. »Das ha­ben Sie be­haup­tet. Es ent­spricht aber nicht den Tat­sa­chen. Sie ha­ben Pro­fes­sor Dr. Je­ro­me A. Bul­mers bis zu Ih­rer Ent­las­sung aus dem At­lan­tis-Stütz­punkt mit ›Sie‹ an­ge­spro­chen. Van Haet­lin, Tricks die­ser Art nüt­zen Ih­nen nichts! Oder glau­ben Sie ernst­haft, Ih­re Rich­ter wür­den sich we­gen ei­ner an­geb­li­chen Duz­freund­schaft mit Ih­rem Aus­bil­dungs­lei­ter zu ei­ner Än­de­rung des Ur­teils hin­rei­ßen las­sen? Sie woll­ten auf die Psy­cho­tour rei­sen, nicht?«
    Er schwieg und starr­te auf sei­ne Hän­de. Seit ei­ni­gen Ta­gen kne­te­te er stän­dig die Fin­ger. Das hat­te er frü­her nicht ge­tan.
    Wir wuß­ten über­haupt al­les, was er vor sei­ner Ver­haf­tung un­ter­nom­men hat­te. Sein Le­bens­weg war prak­tisch bis zu dem Au­gen­blick zu­rück­ver­folgt wor­den, da er in ei­ner eng­li­schen Kli­nik das Licht der Welt er­blick­te. Er war trotz sei­nes hol­län­di­schen Na­mens Bür­ger des EU­RO-Staa­tes Eng­land. Das ent­hob mich der zu­sätz­li­chen Be­las­tung, die hol­län­di­sche Spra­che er­ler­nen zu müs­sen. Er ver­stand die Mut­ter­spra­che sei­nes Va­ters kaum. Die we­ni­gen von ihm be­herrsch­ten Be­grif­fe hat­te ich mir an­ge­eig­net.
    Ich konn­te ihn nun in je­der Be­zie­hung ein­wand­frei ko­pie­ren. Das war der Grund, warum mir Re­ling vor ei­ner Stun­de die An­wei­sung ge­ge­ben hat­te, mit die­sem Ver­hör die Pro­ze­dur zu be­en­den. Wenn ich woll­te, konn­te ich ihm so­gar die Wahr­heit über den ach­ten Mann sa­gen. Van Haet­lin wür­de es nie­mand mehr mit­tei­len kön­nen.
    Ich scheu­te mich aber, ihm in die­ser Form die be­vor­ste­hen­de Hin­rich­tung be­kannt­zu­ge­ben. Er war viel zu in­tel­li­gent und fein­füh­lig, um aus ei­ner sol­chen In­for­ma­ti­on nicht das für ihn Un­aus­bleib­li­che ab­zu­lei­ten.
    »Schön«, ge­stand er mut­los wer­dend ein. »Ich ha­be es ver­sucht. Heut­zu­ta­ge läßt man je­den Ge­walt­tä­ter, Kri­mi­nel­len und Trieb­ver­bre­cher lau­fen, nur weil

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