Testobjekt Roter Adler
keinen Schnaps, danke. Wenn du willst, kannst du die Winchester entladen.«
Er nickte. Endlich konnte ich mich auf Hannibal konzentrieren, ohne Zenems Argwohn zu verstärken.
»Ich höre, Kleiner«, gab ich auf Paraebene durch. »Dein Ruf kam genau in dem Augenblick, als ich den Finger am Drücker hatte. Der große Graue ist fort. Darüber reden wir noch!«
»Aber nicht zu lange«, lautete seine Antwort. »Ich bin von Ki ny direkt eingepeilt worden und in den Wildbach gefallen. Un terschenkelbruch rechts. Sagt dir das etwas? Laß den Bären le ben. Ich habe meine Prachtforelle auch wieder vom Haken genommen.«
Seine Worte verrieten mir, daß im fernen Washington der Teufel los sein mußte – wieder einmal! Unser Urlaub schien schneller zu enden, als wir es ohnehin befürchtet hatten.
»Ich höre einen Flugschrauber der staatlichen Brandwache. Mach dir keine Sorgen wegen meines Beines. Das kriegen die noch in der Maschine hin. Peile mich ein. Wir sind in einer Viertelstunde bei dir. Bist du am großen Windbruch?«
»Einen Kilometer westlich davon. Wir kommen aber hin. Was ist los?«
»Keine Ahnung. Kiny hatte sich völlig blockiert. Ich wollte sie antasten, aber es war nichts zu machen. Ich weiß nur, daß auf dem Air-Force-Flugplatz Livengood ein schneller Höhenbomber startklar gemacht wird. Wir haben einzusteigen. Das ist alles. Bis gleich.«
Ich löste mich aus meiner Konzentrationsphase, die ich leider noch immer nicht so verheimlichen konnte, daß aufmerksame Beobachter nichts davon merkten.
Als ich aufsah, stand Zenem Markolar vor mir. In seinem bronzefarbenen Gesicht zuckte kein Muskel. Nur seine Augen redeten eine stumme Sprache.
Ich wollte nicht in sein Bewußtsein eindringen, um festzustellen, was er von meinem Gebaren hielt. Das wäre schändlich gewesen. Wir GWA-Telepathen hatten nur dann unsere übersinnlichen Gaben einzusetzen, wenn es im Interesse der Menschheit dienstlich notwendig war.
»Du mußt fort, nicht wahr?« fragte er bedächtig.
Ich bejahte, bestürzt, daß er mit offenbar untrüglichem Instinkt aus meiner Haltung die richtigen Schlüsse gezogen hatte.
»Gut, dann müssen wir zum Lager. Drei Stunden Marsch sind …«
»Zum großen Windbruch«, korrigierte ich ihn. »Dort trifft gleich ein Flugschrauber der Brandwache ein. Hannibal hat sich den rechten Unterschenkel gebrochen.«
Er fragte nicht, wieso ich das wußte, sondern versorgte meine verletzte Augenbraue. Er klebte die Wundränder sorgfältig zusammen und bedeckte sie mit Biopolplast.
»Morgen früh ist nicht mal mehr eine Narbe zu sehen, mein Wort darauf«, versprach er. »Sag mal, geheimnisvoller Freund – ist das nicht ein verdammtes Teufelszeug, was da jeden Tag erfunden wird? Ich hatte mir als Junge die rechte Wange aufgerissen. Bis auf den Knochen, kann ich dir sagen. Das hat mir mein Alter mit selbstgebranntem Schnaps ausgewaschen, denn er hatte gehört, solche Wunden sollten desinfiziert werden. Dann nähte er sie mit Zwirn aus dem Nähkasten meiner Mutter zusammen, nachdem er vorher eine gewöhnliche Stopfnadel, so eine dicke, weißt du, krummgebogen hatte. Das ging auch. Wann war denn das …? Warte mal …«
Er überlegte. Mich schauderte, als ich an diese Prozedur dach te.
»Ja, im Juni 1989«, erinnerte sich mein Jagdgefährte. »Junge, das waren noch Zeiten! Wir sind hier nur mit einmotorigen Wasserflugzeugen herumgeflogen. Nirgends eine Straße, nichts. Und Wild gab es noch, ha ! Oben am Mt. Kinley bist du über Elche und Graubären gestolpert, wenn du nicht aufgepaßt hast. Und jetzt? Jetzt kommen die Verbrecher aus den Großstädten mit riesigen Transportflugzeugen. Plastik – wohin du siehst. Hunderttausende von Tonnen Abfall, zu
Weitere Kostenlose Bücher