Testplanet Kratos
zerkauen. Dafür waren vier angezogene Rollen aus Muskelgewebe zu erkennen. Eine an jeder Seite der Maulöffnung, eine im Zentrum des Oberkiefers und eine im Zentrum des Unterkiefers. Handelte es sich dabei um Zungen? Oder um Tentakel? Vielleicht ließen sie sich ausfahren, fingen die Beute und brachten sie zu den Saugnäpfen, wo das unglückliche Opfer festklebte, bevor das Maul es ganz verschlang.
»Dieses Ungetüm ist segmentiert!« rief Batista.
Conrad, der sich bis jetzt auf das »Gesicht« konzentriert hatte, warf einen Blick auf das am Kopf anschließende Gewebe, wo die Drähte den Rumpf abgetrennt hatten. Den Rumpf, der von irgend etwas fortgezogen worden war.
»Wie bei einem Wurm«, würgte Conrad hervor. Er bemühte sich mit aller Kraft, nicht zu erbrechen. Eine Zeitlang gelang es ihm sogar. »Abgesehen vom Gesicht sieht es aus wie die Riesenausgabe eines irdischen Regenwurms.«
»Commander«, meinte Andreas, »diese Dinger da über der Oberlippe sind ganz ohne Zweifel Augen. Großer Gott, dieses Biest ist das allerabscheulichste Wesen, das je existiert hat.«
Nicht nur das, es stank auch erbärmlich. Und etwas sickerte aus der großen Wunde, wo der Kopf vom Rumpf getrennt worden war. Tropfenweise quoll eine braune, halbfeste Körperflüssigkeit, vermischt mit Schleim und Eiter aus dem bereits verwesenden Schädel.
Conrad zwang sich dazu, über das Gewirr der Drähte zu steigen und hinter den gräßlichen Schädel zu treten. Und hinzusehen.
Der Anblick entsetzte ihn zutiefst. Die vier Meter Innenraum des Kopfsegments waren so gut wie leer. Die Masse auf dem Boden stellte nur einen kleinen Teil des Fleisches dar, das sich hier eigentlich befinden sollte. Der Rest war hinausgerissen, höchstwahrscheinlich verschlungen worden.
»Das Rätsel um den fehlenden Rumpf ist gelöst«, erklärte Conrad mit schwankender Stimme. »Sie haben ihn nicht fortgezogen, sondern gefressen!«
Dann verlor er den Kampf gegen seinen Magen und begann, sich zu übergeben. Andreas und Batista waren weise genug, den Commander in Ruhe zu lassen.
Nachdem Conrad sich wieder mehr unter Kontrolle hatte, sagte Andreas sanft: »Hören Sie, Chef, dieser elende Kadaver macht mich fertig. Warum kehren wir nicht auf die Santa Maria zurück und genehmigen uns einen starken schwarzen Kaffee? Batista fühlt sich auch nicht allzu wohl hier, was Fidel?«
Der Kubaner lachte grimmig. »Das, mein lieber Freund, ist eher noch untertrieben. Ich würde am liebsten anfangen zu schreien.«
Nach dem letzten Würgen erklärte der Commander: »Okay, ich habe Ihren Hinweis verstanden. Sie wollen meine Unpäßlichkeit überspielen, und das weiß ich zu würdigen. Aber jetzt Schluß damit: Kommen Sie her und schauen Sie sich das an, was ich gesehen habe.«
Batista kam es zuerst hoch. Er schlug Andreas um glatte zwei Sekunden.
»So, jetzt wissen Sie Bescheid«, bemerkte Conrad gelassen. »Kommen Sie, wir wollen uns einen Kaffee genehmigen.«
An Bord der Santa Maria beruhigte sich ihr Magen etwas. Aber als einer der Roboter Andreas sein Lieblingsfrühstück brachte – Spiegeleier mit Speck –, verließ dieser fluchtartig den Raum. Conrad und Batista waren schlauer. Ihre Mahlzeit bestand nur aus schwarzem Kaffee.
Die anderen Team-Mitglieder gesellten sich zu ihnen in den Gemeinschaftsraum. Überraschenderweise zeigte Lieutenant Smith einen guten Appetit. Nur Chantana Le Gros und Liz James beließen es bei Kaffee und Toast.
Nach dem Frühstück berief Conrad einen Kriegsrat ein. Alle ENTS waren anwesend, zusätzlich der Roboter Matthew.
Der Commander kam gleich zur Sache und hielt sich nicht mit Vorreden auf. »Kurt hat mit seiner Theorie über unseren Gegner recht gehabt. Wir erheben unser Glas auf sein Wohl. Doch die momentane Lage erfordert, daß wir aufhören müssen, von diesen Wesen in irdischen Begriffen zu denken. Ob nun schlangenartig oder wurmgleich, das spielt im Augenblick keine Rolle mehr. Es handelt sich dabei einfach um riesige, schnelle Biester, die offensichtlich über große Kraft und andere Eigenschaften unliebsamer Art verfügen. Wir haben nun zwei wesentliche Fragen zu beantworten. Nummer eins: Handelt es sich bei diesen Wesen um eine weitverbreitete Rasse auf Kratos oder um eine seltene? Haben wir also nur Pech gehabt, gerade hier, in der Nähe eines ihrer Nester zu landen, oder wären wir ihnen immer begegnet, gleich, wo wir auf dem Kontinent B gelandet wären? Sollten sie so selten sein wie Elefanten oder Wale auf Terra,
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