Teufel in High Heels
heiter werden. Hatte ich wirklich irgendwas vergeigt, oder hatte sie definitiv nicht mehr alle Tassen im Schrank? Ich setzte mich und beschloss abzuwarten, von einer seltsamen inneren Ruhe erfüllt, die mich an mein erstes Zusammentreffen mit Dawn und Graham erinnerte. Womöglich war ja nach so und so vielen, geduldig ertragenen Zornesausbrüchen ein Sättigungsgrad erreicht, ab dem meine Nerven schlicht keine Regung mehr zeigten.
»Wie weit sind Sie mit dem Manuskript, das ich Ihnen am Freitag gegeben habe?«, fragte sie.
»Ich habe ungefähr hundert Seiten davon gelesen, und es macht einen guten Eindruck - der Agent hat gesagt, es stünde uns die ganze Woche exklusiv zur Verfügung, also -«
»Ah? Ah?! Hat er das gesagt?«, höhnte Vivian, den Mund abfällig verzogen. »Mein Gott, Claire, tun Sie sich einen Gefallen und werden Sie endlich erwachsen, verdammt noch mal! Meinen Sie nicht, der nette Herr Agent hat gelogen ? Und in Wahrheit das Ding munter an alle möglichen Verleger verteilt, um zu sehen, wer sonst noch daran interessiert ist? Er ist ein Mann, Claire, und Männer lügen . Sie erzählen Ihnen die tollsten Geschichten, Hauptsache, sie kriegen damit,
was sie wollen. Sagen Sie mir wegen des Manuskripts bis Mittag Bescheid. Die Spielchen von diesem Arschloch spielen wir nicht mit. Einem Haufen anderer Verleger um den Bart zu streichen, das kann er sich abschminken -«
Die Tür öffnete sich einen Spalt, und Lulu glitt herein. »Tut mir leid, wenn ich störe«, sagte die falsche Schlange, »ich wollte nur schnell die Testseiten für Immer bei der Stange: Die Geschichte einer Stripperin abliefern.« Sie ließ die Cover auf Vivians Schreibtisch fallen und blieb weiter stehen, offensichtlich in der Hoffnung, zusehen zu dürfen, wie ich abgekanzelt wurde.
»Sie stören nicht, Lulu«, gab Vivian mit zuckersüßer Stimme zurück. »Schön, dass Sie da sind. Im Gegensatz zu Ihnen, Claire, erledigt Lulu meine Aufträge stets unverzüglich. Sie hat Teamgeist. Sie könnten sich eine Menge von ihr abschauen!«
Von dieser katzbuckelnden Giftspritze, dieser miesen, feigen Ziege? Nein danke.
»Sie schafft mehr an Arbeit, als ich von Ihnen jemals erwarten könnte«, fuhr Vivian fort und musterte mich von oben bis unten mit unverhohlener Verachtung. »Sie vertrödeln Tag um Tag mit Luke Mayvilles dämlichem Manuskript, wie ein liebeskrankes Schulmädchen!« Der Gedanke schürte ganz offensichtlich ihren Zorn, ihre Augen traten bedrohlich aus den Höhlen. »Wie wär’s, wenn ich das Scheißbuch sausen lasse, damit Sie endlich Ihre Lektion lernen?! So viel Zeit mit etwas zu vergeuden, das am Ende vielleicht, na, sagen wir, fünf Leute lesen werden! Das ist absurd ! Nicht mal ich bringe es über mich, diesen langweiligen Mist zu lesen, und ich bin immerhin die Verlegerin, verdammt noch mal!«
Ich schluckte, spürte Panik in mir aufkommen. Das war seit Monaten meine größte Angst: Vivian irgendwann so in Rage zu bringen, dass sie zur Vergeltung Lukes Buch im Orkus verschwinden ließ. Alles, nur das nicht. »Bitte, Vivian«, sagte ich flehentlich, »ich will gerne rund um die Uhr arbeiten, um mit allen anderen Projekten zurande zu kommen. Bitte entschuldigen Sie, ich - ich werde Ihnen alles liefern, was Sie von mir benötigen.« Und wenn ich noch so rückgratlos daherkam - mir ein Restchen Würde zu bewahren, zählte wenig, wenn Lukes Manuskript auf dem Spiel stand.
Vivian lehnte sich zurück. »Sie wissen ja wohl, dass ich ohne weiteres den Stöpsel ziehen könnte, und dann geht sein Mickerbuch den Bach runter -«
»Ja, ich weiß.« Mir saß ein Klumpen im Hals. »Sagen Sie mir einfach, was ich tun soll, ich kriege das schon hin.«
»Oh ja, das werde ich«, sagte Vivian und lächelte so breit wie die Grinsekatze aus Alice im Wunderland . »Keine Sorge, das werde ich.«
»Ja, und? Und? «, plärrte Bea ins Telefon, als ich mich auf ihren fünften Anruf hin endlich bei ihr meldete. »Ich sterbe vor Neugier, Claire! Komm schon, lass hören! Hat er dich tatsächlich nach Paris entführt? Wie romantisch!« Sie saß mir praktisch direkt im Ohr. »Ich meine, ist es zu glauben, dass du wahr und wahrhaftig Randall Cox heiratest? Überleg doch mal, wie viele Nächte wir auf meinem alten Futon gelegen sind und uns genau das ausgesponnen haben!«
Sie hatte es kaum ausgesprochen, da war die Erinnerung wieder präsent - obwohl seither fast ein Jahrzehnt verstrichen war. Bea und ich, wie wir stundenlang flach auf
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