Teufel in High Heels
leicht geknickt, aber dankbar für Phils Vorstoß. »Danke. Manchmal braucht es eben seine Zeit, bis man alle Kollegen richtig kennt. Vielleicht habe ich bei ihr einen schlechten Tag erwischt.«
»Schön wär’s, aber gehen Sie lieber davon aus, dass es mit ihr weiterhin schwierig bleibt. In Lulus Leben dreht sich alles um Vivian Grant, und sie liefert jeden ans Messer, wenn sie sich damit bei der Chefin lieb Kind machen kann. Aber abgesehen von ihr sind die Leute hier sehr viel netter, als sie auf den ersten Blick wirken. Die Sache ist die: Bei Grant Books herrscht ein so wahnsinniger Durchlauf, dass es einem manchmal sinnlos erscheint, sich groß mit neuen Kollegen abzugeben. Viele Mitarbeiter sind fast ebenso frisch dabei wie Sie, und die, die sich schon länger halten, sind es mit der Zeit leid, alle drei Wochen einen neuen Lektor willkommen zu heißen. Die Drehtür rotiert hier ziemlich schnell. Na ja, Sie werden schon sehen. Nehmen Sie es nur nicht persönlich. Es sind eigentlich alle echt supernett - oder sagen wir, alle außer Graham und Lulu -, und sie geben sich Mühe, wenn klar ist, dass jemand länger bleiben wird und der Aufwand sich lohnt.«
Ich lächelte. »Danke, Phil. Der Hinweis hilft mir schon sehr.«
»Ja«, nickte Phil, »und damit wäre ich auch schon bei meinem zweiten guten Rat.« Er beugte sich vor und verfiel in Flüsterton. »Wie man am besten mit Vivian umgeht. Sie haben sicher schon von anderen gehört, dass es sich hier nicht gerade einfach arbeitet. Und sie nicht gerade die einfachste Chefin ist. Was heißt, dass die Überlebenschancen ziemlich gering sind.«
»Ich habe das eine oder andere gehört«, räumte ich ein, »aber das war sicher alles maßlos übertrieben.«
Phil lachte grimmig. »Da wäre ich mir nicht so sicher. Ich will Sie nicht verschrecken, Claire, aber Sie sollten lieber gleich wissen, dass die meisten Geschichten über Vivian, so grauenvoll sie klingen mögen, tatsächlich noch untertrieben sind. Die wirklich gruseligen Storys, für die die Personalabteilung ehemaligen Angestellten Schweigegeld zahlt, die sind streng unter Verschluss. Und unterliegen gerichtlichen Verfügungen.«
»Zum Beispiel?«, fragte ich schaudernd. Totenschädel im Büroschrank? Menschenopfer bei der Weihnachtsfeier? Ich kam mir vor wie in einem sommerlichen Zeltlager, mit Phil als Betreuer, der sich eine Taschenlampe unters Kinn hielt.
»Nicht hier und nicht jetzt«, lautete seine kryptische Antwort.
»Wenn es wirklich so schlimm ist, wie haben Sie dann vier Jahre überstanden?«
Phil traten förmlich die Augen aus dem Kopf. »Indem ich die fünf ehernen Regeln von Grant Books befolgt habe, Claire. Sie wurden mir bei meinem Eintritt hier kundgetan, und heute gebe ich sie an Sie weiter.«
»Haben Sie am College zufällig im Hauptfach Theaterkurse belegt, Phil?«
»Ja, wieso... ich war in Oberlin, dort wird besonderer Wert darauf gelegt!«, antwortete er, ehrlich überrascht.
»War nur so ein Gefühl.« Ich lachte. »Okay, wie lauten die fünf ehernen Regeln von Grant Books?«
Phil räusperte sich und hob den Zeigefinger. »Nummer eins: Geben Sie unter keinen Umständen ihr oder irgendjemand anderem in diesem Büro Ihre Privatnummer. Egal wozu. Sonst haben Sie keinen Augenblick mehr Ruhe.«
»Wirklich?« Vivians Assistent hatte mich an eben dem Morgen in einer E-Mail danach gefragt, und ich war noch nicht zum Antworten gekommen. »Aber was ist, wenn -«
Phil wedelte abwehrend mit dem Finger. »Die Handynummer, okay. Aber nicht die private. Drücke ich mich deutlich genug aus?«
»Äh, ja. Hab’s verstanden.«
»Regel Nummer zwei: Trauen Sie Graham keinen Fingerbreit weiter über den Weg als Lulu. Genauer gesagt, trauen Sie ihm weniger. Was er von Vivian an Unflätigkeiten zu hören bekommt, gibt er eins zu eins an die armen Assistenten hier weiter. Seine Wutanfälle sind fast so legendär wie die von Vivian. Ein furchtbarer Anblick. Ach ja, und dasselbe gilt für die gesamte Personalabteilung. Eine Verbrecherbande. Die hintergehen Sie, wo sie nur können, wenn sie dafür Pluspunkte bei Vivian verbuchen können.«
»Verstanden.« Langsam wurde mir mulmig.
»Nummer drei« - Phil fischte eine Visitenkarte aus der Tasche und gab sie mir - »eine gute Therapeutin. Gehen Sie lieber gleich hin. Sie hat seit Jahren mit Angestellten von Grant Books zu tun, das heißt, sie kennt den Drill. Sie
ist teuer, und unsere Betriebsversicherung kommt nicht dafür auf - die Personalabteilung
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