Teufel in High Heels
heute halbwegs zivil Feierabend machen und mit zum Yoga gehen?«, fragte Bea. »Im Om gibt’s einen Kurs, der fängt um acht an. Direkt neben deinem Büro - so ein bisschen Recken und Strecken täte dir doch bestimmt gut. Hinterher könnten wir ja noch einen Happen essen gehen - nachdem du mich zwei Donnerstage hintereinander abserviert hast.«
Yoga - o Gott, was für eine grässliche Vorstellung, so schlapp und ausgelaugt, wie ich momentan war, aber vielleicht würde es mir ja reizvoller erscheinen, wenn ich endlich was im Magen hatte. Also sagte ich Bea zu.
Burger Heaven. Jetzt wurde es aber wirklich Zeit.
»Bin gleich wieder da«, rief ich über die Schulter hinweg David zu und - fand mich Seite an Seite mit Lulu vor den Aufzügen wieder. Die über dieses unerwartete Zusammentreffen nichts weniger als erfreut schien. Schöne Scheiße. Vor und unter uns lagen zwölf lange Stockwerke.
Und auf dieser Strecke irgendwelche Freundlichkeiten auszutauschen, war definitiv mein Job. Von Anfang an hatte Lulu mich niedergemacht, wo sie nur konnte. Hatte bei den Lektoratssitzungen jedes meiner Argumente zerpflückt. Demonstrativ das Gähnen unterdrückt, wenn ich ein Manuskript interessant fand. Höflich angefragt, ob sie - nur zur
Sicherheit - auch einmal hineinschauen könnte, wenn ich die Runde wissen ließ, was ich von diesem oder jenem Bockmist hielt.
Ach, was soll’s - Schwamm drüber, tu den ersten Schritt , dachte ich, als wir schweigend den Aufzug betraten. »Hey, Lulu, wie geht’s denn so? Das ist aber eine hübsche Bluse.«
Lulu drückte auf »EG« und starrte stur geradeaus. »Claire«, sagte sie in gedehntem, gedämpftem Tonfall.
Und das war’s dann auch schon. Kein nettes Geplauder auf dem Weg nach unten, nicht mal ein Hallo! Nur mein Name, sonst kam ihr nichts über die perfekt geschminkten Lippen.
Na schön. Vergiss es. Wieso regte ich mich überhaupt auf? Die Talfahrt schien Ewigkeiten zu dauern, aber irgendwann war es doch geschafft, und die goldenen Pforten entließen uns in die Freiheit. Lulu als Erste, natürlich - forsch schritt sie mit einem aufgesetzten Lächeln durch die Lobby und winkte dem wachhabenden Sicherheitsbeamten so lässig zu, als wäre sie nicht die fieseste Zicke auf Gottes weiter Erde.
Zum Glück bestand nicht die leiseste Aussicht, dass sie ebenfalls Richtung Burger Heaven wollte. Laut Aussage von Phil ließ sich Lulu immer nur Salate von dem Biorestaurant weiter unten an der Straße kommen, das er »Tofu Hell« nannte. Was mich betraf, mochte sie getrost in ihrer öko-anämischen Hölle verschmachten.
Bea und ich lagen flach auf dem Rücken, in Erwartung der ersten Instruktionen. Der Raum füllte sich rasch, doch neben meiner Matte war noch Platz. Ich schloss kurz die Augen, nach Kräften bemüht, den ganzen Stress des hinter mir liegenden Tages zu vergessen. Alles nur Kinkerlitzchen, die
nichts zu bedeuten hatten. Weder Alexa Hanleys Schleimscheißer von einem Manager, der mich mit »Zuckerschnecke« tituliert hatte, noch der Anruf des wutschäumenden Agenten wegen einer peinlich überfälligen Zahlung. (Das fragliche Werk war längst erschienen, doch irgendwie sträubte sich Vivian dagegen, den Tatsachen ins Auge zu schauen. »Ich find’s zum Kotzen«, hatte sie als Erklärung angebracht, was natürlich kein hinreichendes Argument dafür war, den Autor um sein Geld zu bringen.) Und ich wollte auch nicht mehr an Lulus borniertes Grinsen auf unserer Fahrstuhlfahrt talabwärts denken.
Als ich die Augen wieder aufschlug, erblickte ich eine bis zum letzten Zehennagel durchgestylte Blondine, die eine bis zum letzten Eck mit Louis-Vuitton-Logos übersäte Gymnastikmatte ausrollte. Eine Sekunde später wusste ich auch, wer sie war.
Lulu. Ein Name, zu süß, um wahr zu sein.
Ihre Matte lag keine dreißig Zentimeter von meiner entfernt. Wie standen die Aktien? Sollte ich es noch mal auf die freundliche Tour versuchen? Ich konnte ja nicht gut so tun, als hätte ich sie nicht gesehen, und außerdem wollte ich mich nicht auf ihr pubertäres Niveau begeben.
»Hey, Lulu!«, raunte ich ihr zu.
»Oh, hallo«, gab sie kalt zurück. Dann beugte sie den Oberkörper vor und legte den Kopf zwischen den Knien auf der Matte ab. Dafür, dass sie sonst immer wirkte, als hätte sie einen Spazierstock verschluckt, war sie verblüffend gelenkig.
»Bitte nehmen Sie eine bequeme Sitzposition am vorderen Ende Ihrer Matte ein«, sagte der Kursleiter.
Lulu meisterte in der Folge jede von uns
Weitere Kostenlose Bücher