Teufel ohne Gnade Kommissar Mor
dem gewohnten Elan an die Arbeit herangehen wollten. Nein! — Alle fühlten, daß es kein normaler Fall war, den sie zu bearbeiten hatten. Keiner wollte einen Fehler begehen, um später als der Sündenbock dazustehen. — So warteten sie mehr oder weniger die Anordnungen der Verantwortlichen ab.
Konstabler Souden war ehrlich genug, um sich selbst einzugestehen, daß er diesem Sonderfall nicht ganz gewachsen war. Gewiß, die Aufnahme des hier an Ort und Stelle vorgefundenen Tatbestandes bedeutete keine Schwierigkeit für ihn. Aber wo sollte er dann den Hebel der Aufklärungsarbeiten ansetzen. Viele Wege standen ihm offen. Doch wie er sein schon sprichwörtlich gewordenes Pech kannte, würde er unter Garantie den längsten Weg zur Aufklärung dieses Verbrechens einschlagen.
„Damn't! — Warum soll ich als Lückenbüßer meinen Kopf hinhalten, wenn es später den Herrn zu langsam geht. Außerdem wird man mir den Fall sowieso nicht überlassen. Das ist eine Sache für das Sonderdezernat. Da ist es schon besser für mich und in gewisser Hinsicht auch für die Jungs des Sonderdezernats, daß sie gleich hier den Fall übernehmen."
Konstabler Souden entschloß sich nach dieser Zwiesprache, den Sektionspräsidenten anzurufen. — Sichtlich von einem schweren Druck erleichtert, vernahm er die Stimme seines höchsten Vorgesetzten.
„Konstabler, lassen Sie keinen Unbefugten in die Nähe des Toten. Ich schicke Ihnen Kommissar Morry heraus. Der ganze Fall muß streng vertraulich behandelt werden, und Kommissar Morry ist der richtige Mann für dererlei Dinge!"
Der Name Morry gab dem Konstabler erheblichen Auftrieb. Jetzt, da der allseits beliebte Kommissar des Sonderdezernats kommen würde, konnte nichts mehr schiefgehen. Eifrig bemühten sich die Boys, nachdem Souden ihnen hiervon Kenntnis gegeben hatte, jede Kleinigkeit, die der Aufklärung von Nutzen sein konnte, aufzunehmen. — Jeder stand wieder an seinem richtigen Platz und wußte genau, was er zu tun hatte . . .
Konstabler Souden selbst hatte nach dieser reinen Routinesache zwei seiner Leute zur Sicherung der Fundstelle zurückgelassen und war zum Gas Works gefahren. Hierher hatte man auch den Toten geschafft. Während alles auf das Erscheinen des Kommissar Morry wartete, fertigte Konstabler Souden das Protokoll der Leichenauffindung an. Soeben las er dem aufmerksam zuhörenden Upper-engineer Ivry Dellinger das gefertigte Schriftstück vor. Alles schien zunächst dessen Einwilligung gefunden zu haben. Als Souden aber zum letzten Absatz des Protokolls kam und diesen beenden wollte, wurde er von dem Upper-engineer unterbrochen:
„Moment mal! — Wollen Sie mir das letzte bitte noch einmal vorlesen, Konstabler?"
„Warum, Mister Dellinger? — Stimmt da etwas nicht?"
„Nicht ganz, Konstabler."
„So, nicht ganz! — Na, dann hören Sie noch einmal, was ich hier geschrieben habe."
Während ihre Stimmen lauter geworden waren, betrat Kommissar Morry das Nebenzimmer. Weder Konstabler Souden noch Upperengineer Ivry Dellinger bemerkten den Kommissar, der durch die offenstehende Verbindungstür den weiteren Verlauf der Vernehmung belauschte.
„Erwähnenswert zu dem oben aufgeführten Sachverhalt wäre noch folgende Beobachtung, die ich in den Abendstunden des gestrigen Tages unweit der Fundstelle der Leiche gemacht habe", hörte Morry die leicht verärgerte Stimme des Konstablers. Sein Blick wanderte zum Upper-engineer hin. Der hochgewachsene Mann mochte kaum dreißig Jahre alt sein. Also einige Jahre jünger als er. Selbstbewußt hielt Ivry Dellinger seinen Kopf erhoben und schaute mit stoischer Ruhe den Konstabler an. Sein Gesicht wirkte dabei klug und mutig. Auf den heimlichen Lauscher wirkte die sportliche Gestalt des Upper-engineers sympathisch. Zumal, wie sich später herausstellte, der Mann seine Ansichten zu vertreten wußte und nur das unterschrieb, was er mit seinem sauberen Gewissen vereinbaren konnte. Inzwischen aber war Konstabler Souden in der Verlesung des Protokolls fortgefahren: „Als ich gestern Abend gegen zweiundzwanzig Uhr dreißig den Anruf meines Werkmeisters erhielt, der ein sofortiges Erscheinen meiner Person im Hauptwerk erforderlich machte, befuhr ich etwa zwanzig Minuten später die nur schwach belebte Oban-Street. Am Ende dieser Straße, etwa dreihundert Yard von der späteren Fundstelle der Leiche entfernt, bemerkte ich einen abgestellten hellgrauen Jaguar älterer Bauart. Am Steuer des Wagens saß eine dunkelhaarige Frau. Weitere
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