Teufel ohne Gnade Kommissar Mor
erforderlichen Formalität wieder an. „Ich will Ihre Zeit auf keinen Fall noch weiter über Gebühr lange in Anspruch nehmen. Aber wenn Sie mir noch eine weitere Frage beantworten wollen, wäre ich Ihnen sehr dankbar!"
„Schießen Sie los, Kommissar! Da ich bereits schon die ganze Nacht um die Ohren geschlagen habe, soll es mir auf die paar Minuten auch nicht mehr ankommen. Ich befürchte nur, daß ich Ihnen diese Frage nicht ausreichend werde beantworten können."
„Vielleicht doch!"
Kommissar Morrys Augen fielen noch einmal auf das sich in seinen Händen befindliche Schriftstück. Da hatte er das Gesuchte gefunden: „Sie sagen hier aus, daß sich am Steuer des Jaguars eine dunkelhaarige Frau befunden habe?"
„Stimmt, Kommissar! — Ein Irrtum ist da ganz ausgeschlossen!"
„All right! — Das wollte ich noch einmal bestätigt haben. Aber jetzt zu meiner Frage. — Überlegen Sie es sich gut und lassen Sie sich Zeit dabei. — Mister Dellinger, würden Sie diese Frau wiedererkennen?"
Eine gespannte Ruhe trat nach dieser für Kommissar Morry so wichtigen Frage zwischen den beiden Männern ein. Ivry Dellinger kniff für kurze Zeit seine Augen zusammen und versuchte, seine abendliche Fahrt durch die Oban- Street im Geiste zu rekonstruieren. Man fühlte es, daß seine Gedanken auf Hochtouren liefen. Als er die Augen wieder öffnete, wußte er, daß er die Fahrerin wiedererkennen würde.
„Yes, Kommissar!" fielen seine Worte wie schwere Wassertropfen in den Raum.
„Bedenken Sie, Dellinger. — Es war stockfinster und regnerisch dazu?"
Morry hielt seinen Atem an. Würde dieser Mann nach seinem nochmaligen Einwand bei der Stange bleiben? Wenn ja, so wußte er, daß er gleich in den ersten Minuten einen riesigen Schritt in der Aufklärung des Mordes an Lord Craffield vorwärts gekommen war — und dabei noch einen intelligenten Helfer gefunden hatte.
Schon kam Ivry Dellingers Antwort: „Trotzdem würde ich sie jederzeit wiedererkennen, Kommissar. — Außerdem kommt mir diese Frau irgendwie bekannt vor. Ich weiß mit Bestimmtheit, daß ich diese Frau hier in London schon einmal gesehen habe. Fragen Sie mich aber bitte nicht wo. Ich könnte Ihnen darauf keine Silbe sagen."
Auch nicht nötig, Mister Dellinger! — Mir genügt es vorerst, daß Sie bei einer Gegenüberstellung die richtige herausfinden werden. — Ich hoffe dabei, daß ich zu jeder Stunde mit Ihrer Unterstützung rechnen darf?"
„Selbstverständlich, Kommissar Morry!" war der Upper-engineer sofort bereit. Er, der stets jeden seine Schritte gründlichst abgewägt hatte, kannte sich in diesem Moment selbst nicht wieder. — Wie kam er überhaupt dazu, sich in dieses Abenteuer zu stürzen, fragte er sich. Als er aber in die klaren Augen seines Gegenübers sah, warf er seine bisherigen Grundsätze über den Haufen. Irgendeine unsichtbare Kraft zog ihn zu diesem Kommissar hin. Er verspürte plötzlich den Drang, an der Seite dieses Mannes bei der Klärung des noch undurchsichtigen Mordfalles nach besten Kräften mitzuwirken.
Im Augenblick überkam ihn jedoch eine andere Sehnsucht, und so meinte er mit freundlichem Lächeln: „Nur jetzt müssen Sie mich für einige Stunden entschuldigen. Sie werden verstehen, Kommissar? Aber sobald ich wieder fit bin, stehe ich Ihnen gern und zu jeder Zeit zur Verfügung."
Gewaltsam unterdrückte er ein Gähnen . . .
Kommissar Morry verstand; die Natur verlangte ihr Recht — und wer wie Ivry Dellinger schon länger als sechsunddreißig Stunden ununterbrochen auf den Beinen war, der mußte seinem Korpus auch wieder mal einige Stunden Ruhe gönnen.
Ein kräftiger Händedrude besiegelte die stille Abmachung dieser beiden Männer.
Die Zukunft sollte es beweisen, daß Männer ihres Schlages imstande waren, gegen einen Berg von Gangstern und Mördern anzurennen. — Daß dabei der eiserne Besen nicht zu kurz kam, sei nur am Rande erwähnt. — Im Augenblick aber befand sich Kommissar Morry wieder allein in dem Raum. Sorgfältig begann er seine Fäden zu spinnen. Fäden, aus denen starke Maschen werden sollten — und in denen sich eines Tages der skrupellose Mörder verfangen würde. Zunächst galt es, die dunkelhaarige Fahrerin des Jaguars ausfindig zu machen. Der erste positive Anhaltspunkt schien gegeben zu sein. Kommissar Morry hakte auch sofort hier ein. Er ging zum Fernsprechapparat und wählte die Nummer seines findigen Wachtmeisters. Als Charles Challingham, den Kommissar Morry wegen seines langen
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