Teufel - Thriller
Pentagramm. »Hab ich es mir doch gleich gedacht…«, murmelte der Zwerg.
Ferrand machte ein entsetztes Gesicht und fiel ihm in den Arm.
»Angsthase«, spottete Jauerling. »Das ist ein verwitterter Leichnam, nichts mehr.« Plötzlich spürte er den festen Griff Ferrands um seinen Oberarm.
»Lasst diesen Unsinn, Monsieur!«, fuhr ihn der Abbé an. »Ihr wisst ja nicht, was Ihr da tut.«
Jauerling runzelte die Stirn und nahm seinen Stock fester in die Hand. »So? Was weiß ich nicht?«, fragte er mit gedämpfter Stimme.
Der Jesuit zog ein kleines Messer aus seinem Ärmel und schnitt sich selbst in den Zeigefinger. Aus der kleinen Wunde tropfte sofort dunkelrotes Blut auf den Boden.
»Basta! Anselmo!«, befahl er gleichzeitig dem Blinden, doch der schien ihn nicht zu hören.
Die Musik ertönte weiterhin.
»Anselmo! Basta!«, forderte Ferrand abermals. Der Orgelspieler schüttelte verzweifelt den Kopf. Nach einem weiteren »Basta!« hob er jedoch die Finger von den Tasten des Instruments und verharrte bewegungslos.
Die Klänge verhallten. Danach herrschte Totenstille in der Gruft. Nur gelegentlich hörte man einen Wassertropfen, der platschend zu Boden fiel.
»Was soll das?«, fragte Jauerling ratlos, aber der Abbé antwortete nicht.
Ganz langsam wie in Zeitlupe ging Ferrand zu der Mumie, seine Hand vorgestreckt. »Passt auf, Monsieur!«, flüsterte er und begann, sein Blut zwischen Daumen und Zeigefinger zu verreiben.
Jauerling fühlte ein wachsendes Unbehagen. Er starrte auf das angstverzerrte Gesicht des Franzosen, auf dessen blutige Finger, schließlich auf die Mumie.
Er traute seinen Augen kaum. Das lederne Gesicht blickte nicht mehr in die Mitte des Raumes, sondern genau auf die blutverschmierten Finger von Abbé Ferrand.
»Spiel, Anselmo!«, schrie Jauerling entsetzt auf.
Sofort erklang die teuflische Musik wieder und hallte durch die unterirdische Kuppel.
Es war, als banne die Melodie die zwölf Mumien. Jauerling atmete auf, sein Herz schlug ihm bis zum Hals und seine Hände zitterten.
Der tote Abt schaute wieder auf das Loch in der Mitte des Raumes.
Jauerling schloss kurz die Augen und zweifelte an seinen Sinnen. Dann gewann sein Misstrauen wieder die Oberhand. Er packte Ferrand am Gewand. »Was habt Ihr mit dieser Leiche gemacht?«, fauchte er ihn an. »Habt Ihr Drähte in den Körper eingezogen, wie bei den Kulissen Eurer unseligen Theaterstücke? Ich bin kein protestantischer Bauerntrampel, dem Ihr mit solchem Firlefanz die Hölle heißmachen könnt, Ferrand.«
»Ich habe gar nichts getan, Ihr wart es, der ihn geweckt hat«, flüsterte der Franzose und wandte sich schaudernd ab.
Jauerling fühlte den Wahnsinn in sich aufsteigen. Er wollte nur noch weg von hier. Da fiel sein Blick auf das Loch im Boden und er beherrschte sich. »Was ist da drinnen?«
»Nichts«, erwiderte der Jesuit abweisend. »Es ist nicht tief, lediglich ein paar Fuß. Vor einigen Tagen habe ich einen Mitbruder hinuntergeschickt, und seither geht es ihm nicht gut…«
»Das Tor zur Hölle«, flüsterte Jauerling entsetzt. »Ich will mit ihm reden, sofort!«
»Er ist komplett verrückt geworden«, murmelte Ferrand. »Vielleicht giftige Dämpfe …?«
»Mit Narren habe ich Erfahrung«, winkte Jauerling ab. »Die habe ich in Wien alle zusammen in einen Turm gesperrt. Lebende Schatten.« Mit großen Schritten lief er zur Treppe. »Worauf wartet Ihr noch? Bringt mich zu ihm!«, rief er Ferrand zu und erklomm die ersten Stufen, ohne sich ein weiteres Mal umzudrehen.
Die kleine Zelle lag im Trakt des ehemaligen Hospitals von Lucedio. Jauerling betrat misstrauisch den kleinen, abgedunkelten Raum, zog sofort die Vorhänge auf und drehte sich um. Fahles Tageslicht fiel herein und beleuchtete eine zusammengesunkene Gestalt in einem Lehnstuhl. Der Leiter des Schwarzen Bureaus trat näher an den Kranken heran und beäugte argwöhnisch das blasse Gesicht vor ihm. Ein leises Stöhnen ertönte.
»Das ist Roger La Forge. Er ist in diesem Zustand, seitdem wir ihn wieder aus dem Loch gezogen haben«, erklärte Ferrand und wischte fürsorglich mit einem Tuch den Schweiß vom Gesicht des Reglosen. »Es war meine Schuld. Ich habe ihn hinuntergeschickt und nicht daran gedacht, ihm einen Vogel mitzugeben, der ihn vor giftigen Gasen gewarnt hätte.«
Vorsichtig berührte Jauerling die Stirn des Kranken. Sie war brennend heiß. »Habt Ihr den Verstand verloren? Der Kerl hat die Cholera!«, rief er aus und zog seine Hand zurück. »War er
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