Teufel - Thriller
lädt man sich Gäste ein, und dann beleidigen sie einen am frühen Morgen«, gab Wagner müde zurück. »Ziehen Sie sich etwas an, Kaffee gibt’s in fünf Minuten. Und versuchen Sie, etwas frischer auszusehen.«
»Zuerst Burgi und seine Ruine mit ihren Fallen an der tschechischen Grenze, dann zwei Tote im Kriegerdenkmal, ein Selbstmord, ein toter Priester an der Kirchenglocke und schließlich drei Mordversuche durch Schnellfahren auf dem Heimweg«, beschwerte sich Berner. »Wer danach noch frisch aussieht, dem ist auch sonst nicht zu helfen.«
»Wie ich sehe, sind Sie bester Laune«, stellte der Reporter lakonisch fest. »Da hätte ich gleich heiraten können.«
»Ich will ins Prindl«, entschied Berner. »Wenn man schon sonst kein Vergnügen mehr im Leben hat, dann bleibt wenigstens das Nachtcafé. Los, Wagner, auf geht’s! Sie sind eingeladen.«
»Das trifft sich, ich wollte gerade frisches Gebäck mit der Suzuki holen. Machen wir also eine Runde ins Prindl, das wird uns aufwecken«, grinste der Reporter.
»Ich habe nichts von Selbstmord gesagt!«, rief der Kommissar verzweifelt aus.
»Wir sind lange genug Auto gefahren, das verweichlicht«, gab Wagner zurück, »und es ist an der Zeit, die gute alte GSX-R wieder einmal zu bewegen. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, der Frühling ist da…«
»… und ich bin ab sofort wieder mit Ihnen verfeindet«, vollendete ein verzweifelter Berner den Satz, bevor er mit hängenden Schultern in Richtung Bad schlurfte.
Die blau-weiße Suzuki GSX-R 1100 schien nur darauf gewartet zu haben, wieder einmal auf die Straße zu dürfen. Mit einem schrägen Seitenblick auf die Kawasaki, die er nach wie vor nicht zum Starten bewegen konnte, hatte sich Paul seinen Sturzhelm aufgesetzt, einen anderen an den unglücklich dreinschauenden Kommissar Berner weitergereicht und war aus der Halle gerollt. Die schwere Suzuki GSX-R 1100 schien einer Zeitmaschine entsprungen, in makellosem Zustand trotz ihres Alters. Die von allen Sammlern gesuchte Rennversion war 1988 gebaut worden, galt als das schnellste Motorrad ihrer Zeit und war selbst zwanzig Jahre später noch immer Respekt einflößend.
Was tut man nicht alles, um in sein Stammcafé zu kommen, dachte sich Berner noch. Dann schien es, als ob die japanische Supersportmaschine zu leben begann, tief durchatmete und schließlich davonschnellte, wie von einem Katapult abgefeuert. Der Kommissar hielt sich krampfhaft an Wagner fest und kämpfte mit sich, ob er die Augen offen halten oder doch besser zumachen sollte. Die Beschleunigungsorgien an den grünen Ampeln waren seiner Ansicht nach der schiere Wahnsinn, den sie beide nicht überleben würden.
Es tröstete ihn, dass der Weg ins Prindl nicht weit war.
Die Suzuki fauchte und heulte und vibrierte, als Wagner zwei Gänge herunterschaltete und sie geschickt zwischen einem ungeduldigen Kleinlaster und einem unentschiedenen Smart im Kreisverkehr in die Kurve legte, herausbeschleunigte und einen Parkplatz vor dem Prindl anvisierte.
Berner stieg mit zitternden Knien ab und befreite sich aufatmend vom Vollvisierhelm. »Eines schwöre ich Ihnen, Wagner«, stieß er hervor, »nach Hause fahre ich mit dem Taxi oder mache Autostopp. Ich hänge einfach noch immer zu sehr an meinem Leben.«
Wagner lehnte die Suzuki auf den Seitenständer, zog die Handschuhe aus und den Helm vom Kopf. »Sie sind ein Spaßverderber, Kommissar«, entgegnete der Reporter lachend. »Der kleine Adrenalin-stoß hat uns endgültig aufgeweckt, jetzt ist der Kaffee dran.«
Das Nachtcafé, wie Berner es nannte, war wie immer gut besucht, um nicht zu sagen voll. Der Duft von frischem Gebäck, warmen Croissants und Apfelstrudel hing um diese Uhrzeit in der Luft. Der Kellner nickte dem Kommissar zu und deutete auf den reservierten Stammtisch, was im Prindl einem Ritterschlag gleichkam.
»Ist es nicht schön, immer einen Platz zu bekommen, wenn man die richtigen Leute kennt?«, lächelte Wagner selig und bestellte eine Melange.
»Falsch«, brummte Berner, »wenn man gnädige Leute kennt, die lästige Reporter schon zum Frühstück an ihrem Stammtisch ertragen.«
Die Affäre zwischen dem Kommissar und dem Prindl hatte bereits vor Jahrzehnten begonnen. Immer dann, wenn ein Fall ihn wieder einmal um den Schlaf gebracht hatte, wenn er mit den Ermittlungen um 2.00 Uhr früh fertig gewesen war oder wieder einmal eine Razzia im Rotlichtmilieu durchgezogen hatte, dann war er immer vor dem gleichen Problem gestanden: Wohin
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